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Dieses Thema hat 28 Antworten
und wurde 4.093 mal aufgerufen
 Philosophische Lektüre 5
Seiten 1 | 2
Angelia ( Gast )
Beiträge:

21.12.2004 18:22
#16 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Vom Wahrnehmen unterscheidet OFB das Sich-ansehen.

Zur Erinnerung, die Frage lautet wie entsteht aus der Praxis eine Theorie oder- wie kann es im Rahmen des Umgangs mit dem “zuhandenen Zeug”
zu einer Erkenntnis kommen.

Das sich ansehen bedeute, so OFB, einen Gegenstand aufmerksam und genau betrachten. Dies sei dann erforderlich, wenn etwas Neues, das man nicht durch entsprechende Reaktionen handhaben kann, wahrgenommen wird. Zum einen sei dies der Fall, wenn ein Gegenstand sich im alltäglichen Leben nicht in gewohnter Form handhaben lässt - eine defekte Maschine z.B. und wenn das Wahrgenommene sich mit dem vorgezeichneten Bild nicht abgleichen lässt.

Dies sei auch der Moment, wo es zur Spaltung von Subjekt und Objekt komme.
Wahrnehmung sei etwas, was uns wiederfährt, begegnet, hingegen eine Anschauung eine von uns ausgehende ausdrückliche Tätigkeit sei.
Sobald es zu einer Störung des selbstverständlichen Verhaltens komme, etwas nicht mehr in gewohnter Weise funktioniert, komme es automatisch zu einem Anschauungsvorgang. Der Gegenstand löse sich aus seinem Lebensbezug und schlage in einem Erkenntnisbezug um, da der Gegenstand in den Lebensbezug zurück geführt/ integriert/ nutzbar gemacht werden soll. Aus der Praxis entsteht so eine theoretische Haltung bzw. eine Theorie und erfolgreich handeln zu können. Sobald sich das praktische Handeln durch die Theorie ergeben hat, mache diese dann auch keinen Sinn mehr.

Der ursprüngliche griechische Wortsinn Theoria bedeutet soviel wie ansehen, genau hinsehen ...

Dies erläutert Alban nun näher im Kap. V.


Angelia

Alban ( Gast )
Beiträge:

21.12.2004 20:11
#17 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Kap. V: Die Anschauung (S. 69 ff.)

Will man die Gedanken aus diesem Kapitel verstehen, muss man OFBs Unterscheidung von wahrnehmen / sich-ansehen / anschauen beachten, die in den beiden Kap. IV und V vorgenommen wird: Ich nehme etwas Fremdes, Neues wahr, was mich zum Handeln, zu Korrekturen nötigt; was ich wahrnehme, wird in einer verstandenen Welt gedeutet (S. 60 ff.). Komme ich nun mit einfachen Korrekturen nicht mehr aus, muss ich mich dem Neuen ausdrücklich zuwenden „in seinem von meinen Erwartungen unabhängigen Eigenwesen“ (S. 67); das nernnt OBF sich-ansehen, das heißt Theorie um der praktischen Erfolge willen betreiben (S. 66 ff.).

In V. referiert OFB zunächst kurz die traditionelle Auffassung, dass aus der Anschauung das „Material“ stammt, aus welchem ich Begriffe bilde. Dagegen beruft OFB sich auf die Ergebnisse von III., wonach wir immer schon in einer verstandenen Welt leben: dass es diese reine Anschauung also gar nicht gebe.
Daran knüpft er die Frage, „auf welche Weise die Anschauung dann, wenn sie nicht am Beginn der Erkenntnis steht, uns ursprünglich gegeben ist“ (S. 71). Erneut (bereits S. 60!) vertraut OFB sich dem Leitfaden der (deutschen) Sprache an, wo „anschauen“ als als „ein offenes und von allen Bedürfnissen der Praxis befreites Schauen“ (S. 71) verstanden wird, was auch nicht gleich „sehen“ sei; der Anschauende sei in die Betrachtung des Angeschauten versunken (etwa der Liebende). Um so anschauen zu können, müsse man sich von praktischen Bedürfnissen frei machen. Diese Anschauung sei wahrscheinlich ursprünglich ein ästhetisches Verhalten (S. 72).
Diese Anschauung, zu der man sich erheben muss, sei trotzdem „die ursprüngliche Verfassung des Menschen“ (S. 73), sozusagen der „Anfang, wo ihm die Dinge in ursprünglicher Reinheit gegeben sind, so wie sie waren, ehe sie der Mensch in seine praktische Welt hineingezogen und in ihr vergewaltigt hatte“ (S. 73). Der Mensch müsse „sein eigenstes Wesen erst im Rückgang zu seinem verborgenenUrsprung gewinnen“ (S. 73 f.).
Daran knüpft OFB im Anschluss an Klaus Giel die pädagogische Forderung an, man müssen Kinder nicht mit den Dingen hantieren lassen, sondern sie ihnen aus der Hand nehmen (S. 74 f.); und dann der Lobpreis des Künstlers, dem es gelinge, uns zu einer reinen Anschauung der Welt zu führen (S. 75 ff.).
Zum Schluss beruft OFB sich auf Phänomenologie als Haltung (S. 77 ff.), wo es darum gehe, die Besonderheiten jedes einzelnen Dinges zu sehen; wo die Metaphern des Schauens dominierten; wo man den ganzen Menschen „zur Kraft seiner ursprünglichen Anschauung“ (im Sinn einer Umkehr: ethisch) zu führen, also ihn dorthin zurückzuführen habe (S. 79), was eben auch Aufgabe der Kunst, der Dichtung sei.

In diesem Kap. V macht OFB einen Schlenker, bei dem ich ihm nicht folgen will und kann. Im Fortgang des Gedanken muss sich zeigen, ob diesem Schlenker theoretische Bedeutung zukommt oder ob er nur aus Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies gemacht worden ist. Weshalb ich OFB hier nicht folge:
1. Methodisch ist es problematisch, in der genannten Weise sich dem angeblich unbefangenen Sprachgebrauch deutscher Wörter anzuvertrauen. Schauen wir einfach nach, was in verschiedenen deutschen Wörterbüchern zu den drei genannten Verben notiert ist; eine interessante Aufgabe wäre es, entsprechende Untersuchungen für andere Sprachen vorzunehmen. Ich beginne mit „Deutsches Universalwörterbuch A-Z“ (Dudenverlag, 1989):
wahrnehmen: 1. (als Sinneseindruck) aufnehmen; bemerken, gewahren [ein Geräusch, einen Geruch...]; (etwas an jemandem) feststellen. 2. Möglichkeiten ausnutzen, sich um etwas kümmern.
sich ansehen: Hier kommt die Eintragung 2. in Betracht: etwas [aufmerksam, prüfend] betrachten (um es kennen zu lernen); auch: beschtigen, sich damit beschäftigen. [Die Bedeutung 3. „in bestimmter Weise aussehen“ kommt hier nicht in Betracht!]
anschauen: (nachdenklich, aufmerksam, prüfend) ansehen; (normal) ansehen: sich eine Stadt anschauen. - Das Verb wird v.a. im Süddeutschen so verwendet; sonst gehört es einer gehobenen Sprachebene an.
FAZIT: „wahrnehmen“ und „sich ansehen“ werden zum Teil in den von OFB genannten Bedeutungen gebraucht, „anschauen“ nicht.
„Das große Wörterbuch der deutschen Sprache“ (Duden, 1976) nennt zu „anschauen“: 1. auf eine bestimmte Weise ansehen; jemandem ins Gesicht blicken; sein Blick auf jemanden richten; 2. betrachten; genießend, prüfend ansehen. - Ein Durchgang durch die drei Verben mit Karl-Dieter Bünting: Deutsches Wörterbuch (1996) oder ein Blick in die Leipziger Kiste (wortschatz.uni-leipzig.de) enden mit einem Fiasko für OFB; aus Platzgründen erspare ich mir die Dokumentation dieser Untersuchungen. OFB liest aus dem „unbefangenen“ Sprachgebrauch heraus, was er aus der Philosophiegeschichte (Platon, Aristoteles usw.) kennt. Warum er das (eine auch sonst von ihm gern angewandte Methode!) macht, weiß ich nicht; auch Martin Heidegger hat der deutschen Sprache (neben der griechischen) besondere Erhellungsqualitäten zugeschrieben.
Hier ergibt sich allgemein die Frage, mit welchen Methoden oder auf welchen Wegen man denn zu (philosophischen) Erkenntnissen kommt - ob es also besondere philosophische Erkenntiswege oder nur die normalen gibt (und was überhaupt philosophische Erkenntnis ist).
2. Im Metzler Philosophie Lexikon (1996) wird Anschauung definiert als „der Akt, in dem ein einzelner Sachverhalt unmittelbar und als ganzer erfaßt wird“ (S. 27);
der Begriff steht nahe bei der Intuition. Im Historischen Wörterbuch der Phil. bezeichnet Anschauung den Anspruch, „nichts Bestimmtes an der Sache, sondern sie selbst und im Ganzen zu sehen“ (Bd. 1, S. 340); der Begriff hat eine abwechslungsreiche Geschichte. Das in beiden Definitionen Gesagte verträgt sich nicht mit dem, was OFB unter dem hermeneutischen Ansatz des Erkennens vorträgt; denn die Intuition ist gerade ein Weg zu Archimedischen Punkten, was man leicht sieht, wenn man sie noch mit Evidenz schmückt.
3. Vielleicht sollte man sich auch einmal bei den Psychologen umschauen, was die zur Wahrnehmung zu sagen wissen? Nach Thomas Städtler (Lexikon der Psychologie, SA 2003, S. 1191) führt der über die Sinnesorgane aufgenommene Reiz „über mehrere Verarbeitungsstufen zu einer mentalen Repräsentation“; die von Städtler unterstellte „Wahrhaftigkeit“ der Wahrnehmung schließt nicht aus, dass er an ihr Momente der Selektivität, der Kontextabhängigkeit, der Konturierung usw. unterscheidet - insgesamt schließt der psychologische Befund eine über die Sinne vermittelte Anschauung im Sinn OFBs aus. Auch die Nähe von OFBs Begriff zum Erleben des Kunstwerks sollte uns stutzig machen, da gerade dort etwas über ein Medium vermittelt ist.

alban/ero ( Gast )
Beiträge:

27.12.2004 17:52
#18 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Vorschau auf Kap. VI: OFB setzt neu an und kommt wieder auf Kap. II und III zurück.

Für das weitere Vorgehen nicht so wichtig, aber für Spezialisten interessant ist seine Kritik an Heidegger (zu S. 44 ff.): Heidegger beziehe sich auf "die Welt des Handwerks und der Technik und des darauf bezogenen Menschen. Es fehlt darin die eigentlich menschliche Welt mit den aus ihr erwachsenen Lebensordnungen." (S. 83) Sie werde allenfalls im Hintergrund mitverstanden.

Als analoge Kritik an Heidegger kann man Hannah Arendts große Dreiteilung verstehen: das Arbeiten, das Herstellen, das Handeln, welche sie in "Vita activa oder Vom tätigen Leben" untersucht.

Alban = alban/ero

alban/ero ( Gast )
Beiträge:

27.12.2004 21:27
#19 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Also dann, Angelia,

mein kurzes Referat (ohne Konjunktive) von
Bollnow, Kap. VI. Die Meinung (S. 82 ff.)

1. OFB kehrt zur alten hermeneutischen Fragestellung (vgl. Kap. II, III) zurück; Kap. IV. und V. scheinen keine Rolle (mehr) zu spielen.
2. Das heißt, dass der Mensch in der Welt der fraglos hingenommenen Meinungen Erkenntnis gründen muss; einen Archimedischen Punkt außerhalb dieser Welt gibt es nicht. Das bedeutet:
- Alles Wissen gründet in einem Meinen, welches nachträglich einer Prüfung unterzogen wird.
- Es kann immer nur ein bestimmter Ausschnitt überprüft werden, nie alles.
- Das Meinen bleibt der Hintergrund, er kann nicht in Wissen überführt werden.
- Auch das erreichte Wissen ist vor erneuter Prüfung nicht gefeit, gewinnt also nie den Chrakter der Endgültigkeit.
Diesen Vorgang, dass wir Meinungen in Wissen überführen, nennen wir Aufklärung. Aufgeklärt werden aber weniger die Sachen als vielmehr die Menschen. (S. 85-88)
3. OFB bestimmt die öffentliche Meinung als den Hintergrund, den es für uns ebenso wie für kollektiv denkende Primitive gibt.
4. OFB grenzt seine Auffassung von Heideggers Begriff „Gerede“ ab; das braucht uns nicht zu interessieren. (S. 90 ff.)
5. Die Frage ist also: Wie kommt der Mensch dazu, an bisher ihm als richtig erscheinenden Meinungen zu zweifeln? also dieser öffentlichen Meinung eine eigene Meinung entgegenzustellen? Und wie kann er die eigene Meinung begründen? [Diese letzte Frage wird von OFB zurückgestellt.] „Es müssen, besonders wenn es sich um Angelegenheiten seines eigenen Lebens handelt, schon tiefere Ursachen dahinterstehen, durch die er in seinen Konflikt mit der öffentlichen Meinung gedrängt wird.“ (S. 95)
Die eigene Meinung vertreten heißt, der herrschenden Meinung zu widersprechen; diese erscheint als Unrecht, das man bekämpfen muss - hier zeige sich die sittliche Dimension des Geschehens (S. 96). Die Inhalte der öffentlichen Meinung erscheinen als Vorurteil (S. 96 f.).
6. In Wirklichkeit ist es noch etwas komplizierter, da die öffentliche Meinung nicht nur „außen“ ist; sondern sie ist die vom Einzelnen bisher selbst vertretene Meinung. Der Einzelne gerät also in der Kritik der öffentlichen Meinung in eine Krise. (S. 98)
Hier greift OFB auf anderswo Geschriebenes zurück: Es macht die Größe des Menschen aus, dass er der Krisen fähig ist. Er wird in Krisen aus seiner übersteigerten Subjektivität herausgeholt und in die gemeinsame Wahrheit zurückgeführt: Rückkehr zum Ursprung als Aufgabe. [Dieser Gedanke passt nicht ganz zu dem, was unter „5.“ gesagt worden ist - oder man muss die gemeinsame Wahrheit nicht empririsch, sondern ideal auffassen!]
Hier zeigt sich der harte Charakter der Wahrheit, die zugleich Selbsterkenntnis ist, weil sie uns zwingt, unser Leben zu ändern. Engagement darf den Willen zur Klarheit nicht verdrängen, sonst wird es zum Fanatismus.
7. OFB fasst die Gedanken von Kap. VI. noch einmal zusammen.

** Ich trage einen Querverweis zu Kap. VI. nach:
P. Bieri: Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens. 2001, Kap. 10: Die Aneignung des Willens.

alban/ero

alban/ero ( Gast )
Beiträge:

28.12.2004 11:55
#20 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Liebe Angelia,
das nächste Kapitel bringt für unsere Fragestellung nicht viel:

Kap. VII. Die Auslegung des Vorverständnisses (S. 102 ff.)

In diesem Kapitel wird der Begriff des Vorverständnisses, wie er von verschiedenen Autoren vertreten worden ist, diskutiert. Die leitende Frage ist die, wie sich gegenüber den bisher herrschenden Meinungen die bessere Einsicht begründen lässt. (S. 102) - Es wird i.W. begrifflicher Streit darüber ausgetragen, wie starr die vorgegebenen Meinungen, das Apriori unserer Wahrnehmungen sind.

OFB führt im Anschluss an Arnold Gehlen den Begriff der nichtrationalen erfahrungsgesättigten Gewissheit ein und identifiziert das damit Bezeichnete i.W. mit dem elementaren Lebensverständnis, den herrschenden Meinungen oder eben dem Vorverständnis (Heidgger). Er diskutiert die Rehabilitierung des Vorurteils (zu Hans-Georg Gadamer, S. 106 ff.), diskutiert die Begriffe von Hans Lipps (S. 109 ff.) und plädiert für die Konzeption eines offenen Vorverständnisses:
Wir müssen an der Anfangslosigkeit des Lebensverständnisses festhalten und dabei vermeiden, dass wir uns in ein unkorrigierbares Vorverständnis einschließen lassen, weil es dann nichts wirklich Neues geben könnte. (S. 118 f.)

Wir sollten uns mit den philosophiegeschichtlich bedeutsamen Einzelheiten nicht belasten und einfach zum nächsten Kapitel übergehen, wo OFB sich nun endlich der Frage zuwenden will, wie Erfahrung von Neuem in die geschlossene Welt des Vorverständnisses eindringen kann, oder ganz einfach: wie Erfahrung möglich ist.
alban/ero

Angelia ( Gast )
Beiträge:

29.12.2004 17:25
#21 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten


Lieber Alban

ich habe mich sichtlich schwer getan OFB´s Begriffsdefinition von Tatsachen zu folgen.
So habe ich das was mir für uns wichtig erscheint herausgefiltert und ich kann leider nicht garantieren, dass dieser Text von eigenen Interpretationen frei referiert ist. Bitte korrigiere mich ggf.

lieben Gruß
Angelia

Um sich dem Punkt der Erfahrungsmöglichkeit des subjektiven Individuums widmen zu können, stellt OFB den Begriff der Tatsache auf den Prüfstand.

Zur Erinnerung:
- Alles Wissen gründet in einem Meinen, welches nachträglich einer Prüfung unterzogen wird.
- Es kann immer nur ein bestimmter Ausschnitt überprüft werden, nie alles.
- Das Meinen bleibt der Hintergrund, er kann nicht in Wissen überführt werden

Während im Bereich des Meinens noch ein Spielraum für individuelle Ansichten, Vorstellungen vorhanden sei, stehe man einer Tatsache als vollendete Gegebenheit ohne der Möglichkeit eines Widerspruchs gegenüber. Aus der nachträglichen Überprüfung der Meinungen habe sich nun ergeben, was von den uns angenommenen und übernommenen als Tatsache Gemeintes wirklich wahr ist, Wirklichkeit ist.

Diese tatsächliche Tatsache träfe uns nun mit einer entsprechenden Härte, da sie als faktische Gegebenheit nicht zu umgehen ist. Sie breche in den Lauf unserer Gewohnheiten als Störfaktor aufgrund ihres unveränderlichen, feststehenden Charakters ein. Eine Tatsache zwinge uns diese in unser tägliches Leben zu integrieren um zu unserer Geschlossenheit zurück kehren zu können.

Durch den Versuch eine nun tatsächliche / harte Tatsache in unser Leben zu integrieren fände nun eine Bewältigung der tatsächlichen Gegebenheit statt. Ob die Integration nun aber zu einem wieder rund laufen des bereits Bekannten führt oder ob eine Tatsache die Sprengkraft besitzt ganze von uns gestrickte Weltbilder zu sprengen, das erörtert OFB später.

OFB unterscheidet ausdrücklich die angenehmen wahren Begebenheiten von Tatsachen, da diese aufgrund des unabänderlich und somit unerbittlichen Charakters nie angenehm sein könnten.

OFB klammert die gedankliche Beschäftigung mit Ideen, Wünschen aus dem Tatsachenbereich aus, da diese nicht in den Bereich der Hermeneutik falle sondern eher in den Bereich der Besinnung.


alban/ero ( Gast )
Beiträge:

29.12.2004 19:14
#22 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Liebe Angelia,

angeregt durch die eigenwilligen Ausführungen OFBs im VIII. Kapitel wollte ich mich mal kurz umsehen, was Fachleute von den Tatsachen wissen; außerdem wollte ich dir Mut machen, deine Einsicht ins Kap. VIII darzustellen. Ich referiere also die Ergebnisse meiner nachmittäglichen Lektüre, ehe ich später zu deinem Referat Stellung nehme.

Über Tatsachen

Laut Schülerduden „Die Philosophie“ (1985) wird als Tatsache ein wirklicher Sachverhalt bezeichnet; ein Sachverhalt besteht wirklich, wenn jede Aussage, die ihn darstellt, wahr ist. Das bedeutet nicht, dass man Tatsachen völlig unabhängig von den Aussagen greifen könnte; Tatsachen sind nur von bestimmten Aussagen unbhängig.
Es gibt auch fingierte Sachverhalte, zum Beispiel die Aussage, dass die Einhörner im Siebengebirge leben. Wirkliche Sachverhalte sind etwas Abstraktes; ein wirklicher Sachverhalt ist ein in verschiedenen Aussagen vergegenwärtigter Gegenstand, der durch Abstraktion aus den Aussagen als das Ausgesagte gewonnen wird. Mittels der Konzeption „Sachverhalt“ entscheidet man also, was inhaltsgleiche Aussagen sind: alle, die den gleichen Sachverhalt darstellen. - Das Metzler Philosophie Lexikon geht nicht wesentlich über diese Gedanken hinaus.
FAZIT: Tatsachen sind nicht geeignet, uns einen direkten Griff in die Wirklichkeit tun zu lassen; Sachverhalte sind nur in Aussagen „gegeben“. Die Begriffe Tatsache (Faktum) - Sachverhalt - Aussage - Wahrheit müssen zusammen gedacht werden. - Wie deren Verhältnis ist, wie dabei Bestimmtes und Allgemeines, Beobachtung und gedachtes Gesetz (oder Kategorie usw.) zusammenspielen, wird seit Jahrhunderten diskutiert. Was eine schlichte Tatsache ist, wird in komplexen Theorien bedacht.

Lothar Eley: Art. „Faktum“, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe (Kösel 1973). Studienausgabe, Bd. 2. S. 436-442
Eley diskutiert zwei Bedeutungen: Faktum als das, was objektiven Bestand hat; als das, was seiner Bestimmung nach anders sein kann. Er bestreitet, dass ein Faktum etwas ist, was jedem Wissen vorhergeht (Wiener Kreis). Aus der Diskussion der Wissenschaftstheorie ergebe sich, dass das empirische Moment einer Tatsache doppeldeutig ist: weil es fortgesetzt theoretisch zu bestimmen und insofern an ihm selbst unbestimmt und daher unbekannt ist (Erscheinung im Sinn Kants); bestimmt werde es durch den Welthorizont.
Hier und jetzt könne man auf etwas zeigen, dieses von anderem daneben unterscheiden; „ein Baum“, ‚nicht ein Haus‘ - indem ich das konstatiere, also den Baum nenne, verifiziere ich ihn.

Die Autoren Hans Jörg Sandkühler und Pirmin Stekeler-Weithofer haben den Artikel „Tatsache/Sachverhalt“ in „Enzyklopädie Philosophie“ (Hamburg 1999) geschrieben. Wer Lust, möge sich die Zähne daran ausbeißen!

Angelia ( Gast )
Beiträge:

29.12.2004 21:50
#23 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Hallo Alban


ich habe jetzt meine Antwort zu Über Tatsachen zum Thema bei den Randbemerkungen OFB abgegeben.

Angelia

alban/ero ( Gast )
Beiträge:

29.12.2004 23:01
#24 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Hallo Angelia,

du hast mit Kap. VIII wieder eines der eigenwilligen Kapitel des Buches zu referieren gehabt.
Nach meiner Einsicht erfasst man einen Gedankengang am besten, wenn man sich bewusst macht, welche Frage den Autor umtreibt und wie er bei der Beantwortung der Frage vorgeht.
OFBs Frage hatte ich schon genannt: Wie ist Erfahrung möglich (wobei er sich in Kap. IX erst der Frage zuwendet, was Erfahrung ist)? Die Methode ist die von ihm gern angewandte: Er orientiert sich am Sprachgebrauch: In welchen Situationen beruft man sich wie auf Erfahrung?
Damit müsste klar sein, dass OFB sich eben nicht an der normalen Diskussion über "Tatsachen" beteiligt, wie ich sie eben skizziert habe. OFB geht anthropologischen, nicht wissenschaftstheoretischen Fragen nach! Das sieht man z.B. an der Formulierung, "daß Tatsachen im ursprünglichen Sinn (...) erst durch menschliches Handeln geschaffen werden" (S. 123). Solche Aussagen versteht ein Wissenschaftstheoretiker überhaupt nicht!
Unter diesen Voraussetzungen ist es verständlich, dass OFB ausführt, dass man sich im Streit auf Tatsachen beruft, dass diese anerkannt werden wollen und dass sie "eine Änderung der Haltung, der ganzen Einstellung" fordern (S. 121).

Wenn ich erwäge, wie weit OFBs Tatsachenbegriff trägt, dann leuchtet er mir einerseits ein. Ich sehe zum Beispiel, dass gegenwärtig viele Schüler im 12er-Kurs nicht Gedanken vernünftig ordnen, also "gliedern" können; manche wissen nicht einmal, wozu man sich mit fremden Autoren (also Lesern und Interpreten) von Roths "Radetzkymarsch" auseinandersetzen soll (und wie das geht). Das sind die Tatsachen,
die ich meinen Kollegen entgegenhalte, wenn es darum geht, wie wir unsere Schüler darauf vorbereiten sollen, eine "Facharbeit" zu schreiben. Da behaupte ich also, dass bestimmte Trainingseinheiten sinnlos sind, weil die Schüler sich auf einer anderen Ebene des Könnens bewegen (Tatsache!). Trotzdem komme ich mit meiner Argumentation nicht durch (leider) - vielleicht ist die Berufung auf die Tatsachen doch schwieriger, als OFB meint? Oder bin ich bloß zu blöd, um die Tatsachen richtig zu präsentieren? Ähnlich ist es mit den Tatsachen der Verschuldung der Bundesrepublik: Wie man mit diesen Tatsachen einer enormen Verschuldung, die finanzielle Handlungsspielräume zukleistert, umgehen soll, ist nicht so klar, wie OFB meint.
Ein Zweites: Was mich vor Jahren veranlasst hat, die von OFB erwähnte Änderung der ganzen Einstellung anzupeilen, sind nicht "Tatsachen" gewesen, sondern eine neue Sichtweise: Ganze Landstriche erscheinen auf einmal in einem anderen Licht; das Licht ging für mich nicht von Tatsachen aus, sondern von einem "Verstehen". Tatsachen mögen Pflastersteine auf einem Weg sein, aber sie veranlassen uns nicht (direkt), in eine andere Richtung zu gehen; Pflastersteine können allerdings die Strecke markieren, auf der zu gehen man doch ernstlich erwägen sollte.

So, Angelia, das sind meine Überlegungen zu deinem Referat von Kap. VIII. Was du in den Randbemerkungen außerdem geschrieben hast, werde ich mir morgen in Ruhe zu Gemüte führen.
Gruß, alban/ero

Angelia ( Gast )
Beiträge:

31.12.2004 09:32
#25 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Hallo Alban

In Antwort auf:
du hast mit Kap. VIII wieder eines der eigenwilligen Kapitel des Buches zu referieren gehabt

Revision meiner Darstellung des Kap. VIII.


Otto F. Bollnow betrachtet den Begriff der Tatsache unter der Umgangssprachlichen Bedeutung, im Sinne des vor vollendete Tatsachen gestellt seins. ( S. 121 ) Dieser Umstand treffe den Menschen, aufgrund der Unmöglichkeit eines Widerspruchs oder einer weiteren Einflussnahme, mit einer entsprechenden Härte. Dieser Tatsache könne man nicht ausweichen, sie will anerkannt werden und muss in das tägliche Leben, wenn auch gegen den eigenen Willen und wie auch immer, integriert werden. ( S. 123 )

Durch den Versuch mit dieser Tatsache zu leben, fände nun eine Bewältigung der Gegebenheit statt. Ob die Integration nun aber zu einem wieder rund laufen des bereits Bekannten führt oder ob eine Tatsache die Sprengkraft besitzt ganze Weltbilder zu sprengen, das erörtert OFB später. ( S. 126 )

OFB unterscheidet zwischen Tatsache, als unverständliche und fremde Komponente die gewaltsam in die Geschlossenheit des Bekannten eindringt, dem Sachverhalt, der sich erst in seiner Darstellung forme, so wie eines Tatbestandes im Sinne des protokollieren, eines Unfalls z.B.( S 124)

Der Begriff Tatsachenwissen ( im Rahmen der Vermittlung von Wissen) müsse unter dem Aspekt der Umgangssprachlichen Bedeutung neu überdacht werden. Tatsachen, im Sinne von Bildung und Wissensvermittlung, müsse verstanden sein. Insbesondere im Rahmen der zielgerichteten und systematischen Forschung gehe einer geschaffenen Tatsache ein Durchdenkungsprozess voraus, der erklärbar aber auch diskutierbar sei. Im Gegensatz zu dem als unabwendbar eingestuften Begriff der Tatsache, hier im Wesen der Umgangssprachlichen Deutung als vollendete Tatsache dargestellt. ( S. 126 )

Anmerkung: Wie ihr erleben durftet, habe ich mich sichtlich schwer getan dieses Kapitel zu begreifen. Ich habe Empörung empfunden, nicht wegen OFB´s Ansicht, ( die habe ich wegen meiner Empörung gar nicht einsehen wollen ) sondern wegen des m.E. höchst destruktiven Charakters der vollendeten Tatsache. Diese lässt keinen Spielraum, weder im Verhalten noch im Denken und das ist etwas womit ich de facto nicht leben kann und auch nicht will.

So, nun kann ich beruhigt in das neue Jahr starten, ohne unbewältigte Altlasten mit herüber schleppen zu müssen, ich finde das hat was.

Angelia

alban/ero ( Gast )
Beiträge:

31.12.2004 11:07
#26 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Hallo Angelia,

da hast du eine Erfahrung gemacht, die wertvoll ist: dass man im zweiten oder dritten Durchgang etwas besser verstehen kann. Es bleiben die anderen Leser gefragt, ob ihnen die zweite Fassung mehr einleuchtet als die erste.
Ich habe das nächste Kapitel zusammengefasst und trage es hiermit vor:

IX. Die Erfahrung

„In der ständig wiederholten Auseinandersetzung mit den Tatsachen ergibt sich das, was man die Lebenserfahrung eines Menschen nennen kann, und im Fortschreiten der Lebenserfahrung entfaltet sich zugleich das Weltverständnis, das den Menschen wiederum bei der Aufnahme neuer Erfahrungen leitet.“ (S. 128) Das ist der Kern der folgenden Gedanken.
1. Die Wortgeschichte von „erfahren“ (S. 129 f.) basiert auf „fahren“: im Raum herumkommen; womit man auf seiner Fahrt in Berührung kommt, das hat man meist leidvoll erfahren. Erfahrungen muss man selber machen.
2. Erfahrungen haben eine schmerzhafte Seite (S. 130 ff.). Sie beziehen sich „auf allgemeine Zusammenhänge, die der Mensch daran lernt“ (S. 132). Gegenüber dem objektiveren „erfahren“ meint „erleben“ etwas eher subjektiv Gefühlsbetontes.
3. Es besteht die Gefahr, dass man sich in den Erfahrungen verfestigt, die man gemacht hat. (S. 132 ff.)
4. „Erfahrung mit etwas machen“ heißt: mit etwas umgehen können. (S. 134 f.)
5. Der erfahrene Praktiker ist jemand, der stets für neue Erfahrungen offen war, der darin fortgeschritten ist, sie vertieft hat. (S. 135 ff.)
6. Den Mut haben, neue Erfahrungen zu machen, ist eine Tugend; es heißt, sich wagend der Situation auszusetzen, also sich neu auf Fahrt zu begeben. Das heißt nicht: Abenteuer zu suchen; aber auch die Ängstlichen machen keine Erfahrung. (S. 137 ff.)
7. Die glücklichen Erlebnisse werden von den Erfahrungen abgegrenzt. Während die Erfahrungen aufs praktische Verhalten bezogen sind, „wird hier die Sphäre des Handelns und der Bedürftigkeit grundsätzlich durchbrochen, und der Mensch wird frei für den auf ihn einströmenden Reichtum des Lebens und der Welt“ (S. 139).
8. Im letzten Gedankengang grenzt OFB Erforschung von Erfahrung ab: hier die Unberechenbarkeit und Zufälligkeit, dort das Experiment als geplante Frage an die Natur (S. 140 ff.). Forschung bleibt „grundsätzlich im Rahmen eines geschlossenen Vorverständnisses“ (S. 141). Der Einseitigkeit eines empiristischen Erfahrungsbegriffs stellt OFB die Gegebenheit einer ursprünglichen Form von Erfahrung gegenüber; beide seien jedoch aufeinander angewiesen. „So bewährt sich auch an dieser Stelle die allgemeine anthropologische Behandlung des Erkenntnisproblems.“ (S. 142)

So, Angelia, jetzt kannst du mit deiner Erfahrung dich dem Kap. X. zuwenden, wenn du die Klippe Silvester gut umfahren hast. alban/ero

Angelia ( Gast )
Beiträge:

03.01.2005 20:21
#27 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Hallo Meister Alban

leider schaffe ich es immer noch nicht mich so kurz und knapp auszudrücken wie du bin also noch Punkt X 3 - 4 - 5 schuldig..
dafür habe ich mir aber, just to please you ganz viel Mühe mit der Gliederung gegeben

Kap. X die Lebenserfahrung

Im Kap. X erörtert O.F. Bollnow wie aus Erfahrung Lebenserfahrung wird.

1. Aus den im Laufe der Zeit gemachten Einzelerfahrungen ergibt sich Lebenserfahrung. OFB weist noch einmal darauf hin, Erfahrung entsteht durch beteiligt sein an einem ungewollten, zunächst unverständlichen, Ereignis. Erst durch die Auseinandersetzung und das nutzbar machen entsteht eine Erfahrung.
Man ziehe eine Lehre aus dem Ereignis. ( S. 143 )
Erfahrung gehe mit Können einher - ( vgl. S. 135 ) der Mensch sei den sich ihm entgegengeworfenen Ereignissen nicht unterworfen, sondern gewachsen.

1.2. Erfahrung entwickle sich unbewusst und unbeobachtet. OFB setzt es mit einem organischen Wachstumsprozess gleich . Der Mensch bringe die Fähigkeit als natürliche Anlage mit in die Welt. OFB verweist auf Goethes Analogie zum Organischen. Der Erkenntnisprozess selbst könne wissenschaftlich nicht beobachtet werden. Erst im nachhinein finde durch retrospektive Beobachtung, insbesondere Selbstbeobachtung, des Umgangs mit einem Ereignis ein Blick auf die bereits unbewusst ausgebildete Erfahrung statt. ( S. 144)

1.3. Lebenserfahrung unterscheide sich von der bereits verstandenen Welt, übermittelt durch Sprache, Kultur und Umwelt, durch das Selbsterleben, das unmittelbar selbst beteiligt sein.
Erfahrung lasse sich als relativ Neues bruchlos in das Vorverständnis einfügen, als Wachstum der Kenntnisse des vorgegebenen Verständnisrahmens stelle dies kein Problem dar. Das Vorverständnis wächst.
Absolut Neues hingegen lasse sich nicht in den bisherigen Rahmen des Vorverständnisses einordnen, sprenge diesen auf und zwinge zur grundsätzlichen Besinnung. ( Anmerkung: man betrachtet die Dinge aufgrund der absolut neuen Erfahrung von einer veränderten Plattform aus, das geht übrigens, habe ich selbst erlebt)
Der Verständnishorizont ( das Vorverständnis) erweitere sich in diesem Fall nicht nur sondern verwandele/ ändere sich. ( S. 144 - 145 )


2. Der Gewinn von Lebenserfahrung erweise sich aufgrund der Zufälligkeit stattfindender Ereignisse als Lückenhaft. Ereignisse die zu echten Erfahrungen führen, ließen sich nicht künstlich herstellen. ( S. 146)

2.1. Selbst die zur Hilfenahme der Lebenserfahrungen anderer bleibe trotz gründlicher Sichtung und Ordnung des Materials lückenhaft., da dieses ebenfalls im Rahmen der Zufälligkeit gewonnen wurde. Durch methodisch und systematisch angelegte Forschung ließen sich diese Lücken schließen. Subjektive Voreingenommenheit können ausgeschlossen werden, da Experimente, jeder Zeit wiederholbar und reproduzierbar seien, statistische Erhebungen einer genauen Aufzeichnungsvorgabe unterliegen. ( Anmerkung: ich traue keiner Statistik die ich nicht selbst gefälscht habe ;-) aber das ist ein anderes Thema und kann zu einem anderen Zeitpunkt erörtert werden. )
Fakt sei, im Rahmen der methodisch wissenschaftlichen Arbeit begebe man sich erstmalig auf sichern, da methodisch abgesichert, Boden.

2.2. Die bewusst nach wissenschaftlichen Kriterien angelegte Forschung müsse als neuer Anfang mit neuen Fragestellungen verstanden werden. Sie könne nicht als Verlängerung der natürlich gewonnenen, aber dem Zufall unterworfener, Erfahrung gewertet werden. ( S. 147)

Fortsetzung folgt ... Sind nur noch drei kleine Kapitel


alban/ero ( Gast )
Beiträge:

05.01.2005 22:23
#28 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten

Hallo Angelia,

den Rest wirst du auch noch schaffen: Bei X 3 ist für uns eigentlich nur die Frage interessant, ob es Erfahrung gibt, die sich der Falsifizierbarkeit resp. der Verifizierbarkeit entzieht; X 4 geht es um ein Beispiel, das kannst du auch kurz halten, und X 5 kann man mit ein paar Sätzen referieren: dass neue Erfahrungen in das Verständnisganze einbezogen werden können.
Schreibe nicht für die Nichtleser, sondern vergewissere dich dessen, was du gelesen hat - das sollte dein Ziel sein. Die Nichtleser können das Buch ja lesen, wenn sie wollen.
Ich habe übrigens einen alten Aufsatz von Arnold Gehlen über Erfahrung gelesen (dank eines Hinweises von OFB); da hätte ich beinahe Lust bekommen, gemeinsam Arnold Gehlen zu lesen; aber das werden wir wohl sein lassen, der Diskurs hier ist gar zu heftig.
Gruß, alban/ero

Angelia ( Gast )
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06.01.2005 20:08
#29 RE:Ziel dieser Lektüre Antworten


Fortsetzung

3. OFB stellt die Frage nach der Möglichkeit menschliche Lebenserfahrung wissenschaftlich methodisch abzusichern. Das Parameter des sogenannten empirischen Sinnkriterium biete nicht die von der Wissenschaft angestrebte Verlässlichkeit und Sicherheit der Verifikation ( zu jeder Zeit nachprüfbar ) und Falsifikation ( Wiederlegung emp. Beobachtungen durch Gegenbeispiele ). ( S. 148 ) Man könne von verschiedenen Graden der Überprüfbarkeit der überprüfbaren Erfahrungen sprechen. ( S. 149 )

3. 1 Erfahrungen seien aufgrund ihres in diesem Buch dargestellten Wesens ( Zufall / Schicksalhaftigkeit - verschwinden nach der Bewältigung, usw. ) nicht jederzeit reproduzierbar. Das Sinnkriterium enge zudem die Erfahrung schon in einen Rahmen ein, das gesamte Spektrum der Erfahrung erde auf einen Ausschnitt reduziert.
3.2.Erfahrungen seinen trotzdem kontrolliert zu beobachten und in dem Maße wiederholbar, in dem sie ein zweites Mal ( z.B. Geburt eines Kindes - Tod eines Angehörigen ) eintreten können. Die Beurteilung gemachter Erfahrung hänge auch von der entsprechenden Lebenserfahrung des Einzelnen ab.
Es bestehe die Möglichkeit gemachte Erfahrungen mit anderen auszutauschen und abzugleichen.
3.3.Durch Reflektion und Interpretation eines Ereignissen und die dadurch gemachte Erfahrung könne erkannt werden, was an nicht bewussten Vorgängen zu einem Ereignis geführt habe.
3.4. Obwohl Erfahrungen sich nicht wissenschaftlich in einem strengen Rahmen bringen lassen, seien sie nicht als rein subjektive Erfahrungen abzuwerten. Dies würde eine Negation der menschlichen Lebenswirklichkeit bedeuten. ( S. 151 )
3.5. Jedes wissenschaftlich methodische Herausgreifen von Einzelerfahrungen und deren Untersuchung sei ein Teil des sich durch prägnante Erfahrungen gestalten Ganzen des Vorverständnisses. Von einer Hermeneutik der Erfahrung spreche man, wenn eine Wiedereingliederung des analysierten und verstandenen Teils in das Ganze des Vorverständnisses erfolgreich statt finde.

Zusammenfassend kann man sagen, der Mensch ist ein in sich geschlossenes System, geprägt durch sein Vorverständnis von der Welt. Umgebung, Kultur aber auch wie der Mensch seine Umwelt erfährt, lässt ihn diese mit Gewohnheit in der Gewohnheit beschreiten. Durch einschlägige plötzliche Erfahrungen und die erfolgreiche Auseinandersetzung, so wie die Bewältigung einer Erfahrung, ermöglicht Wachstum und Veränderung des Vorverständnisses. Eine sachliche Analyse und der Austausch von Erfahrungen mit anderen bringt Klarheit in ein Ereignis und die damit verbundenen Erfahrungen. Dies Ergebnis darf nicht isoliert für sich stehen bleiben, sondern muss sich mit dem Ganzen verschlingen. So findet ein Wachstums - Veränderungs und Reifeprozess im Ganzen statt ohne den Menschen in seinem so sein auf ein theoretisches, nur in einen wissenschaftlich Rahmen gepresstes Wesen zu reduzieren.

Die Erkenntnis, dass es keinen archimedischen Punkt gibt der alles von vornherein festlegt oder bestimmt, um den sich alles dreht zeigt, man muss nicht der/ diejenige bleiben/ sein als der/ die man geboren und geprägt wurde. Umstände müssen nicht unverändert bleiben. Erfahrungen geben die Möglichkeit zu wachsen, um sich den Ereignissen nicht nur ausgeliefert zu sehen, sondern um Möglichkeiten eines adäquaten Umgangs mit Ereignissen zu erkennen. Durch Reflektion der Ereignisse erkennt man, wie man damit umgegangen ist, was falsch war, was gut und richtig aber auch was hätte besser laufen können und wie. Diese Erkenntnis zurückgeführt in das Ganze verändert schrittweise. Das der Mensch biologisch dazu in der Lage ist, haben Wissenschaften aller Art verifiziert.


ENDE

Angelia


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