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Dieses Thema hat 6 Antworten
und wurde 1.211 mal aufgerufen
 Literatur und Poesie
Angelia ( Gast )
Beiträge:

20.06.2004 13:28
Eine kleine Einstiegshilfe Antworten

Eine kleine Einstiegshilfe


Brauchen wir eine Philosophie der Ästhetik?

Dieter Bohlen tut es, Daniel Kübelbock meint es zu sein und Alexander ist es sogar, der per Ted - gewählte Superstar der musizierenden Künstler.

Joseph Beuys verwendete altes ranziges Fett um sie kunstvoll in eine Ecke ( oder war es eine Badewanne ) zu drapieren und Warhol darf sich mit Recht einen exzentrischen Künstler der Inszenierungen nennen. Als begnadeter Techniker seines Fachs gelang es ihm und seinen Freunden sogar mit Hilfe unterschiedlicher Stärken und Mengen Urins aus auf einer Leinwand willkürlich verschütteter Farbe Kunst zu gestalten.

Bis heute kann ich nicht entscheiden, ob ich die unglaubliche Architektur Antonio Gaudis, speziell die unglaubliche sacrada de familia, nun schön oder hässlich finden soll und stecke schon seit Jahren in der immer währenden Faszination dieser Baukunst entscheidungslos fest.

Kann man im Angesicht der Geister von Goethe, Schiller, Tolstoi, Shakespeare uvm. Hera Lind, Biographien von Effenberg, Becker und Bohlen oder die Autorin von Harry Potter als Künstler bezeichnen?

Werden die mythischen Aussagen des großen Romans - Der Herr der Ringe - nicht durch technisches Spektakel überdeckt und unser Augenmerk auf die hohe Kunst der Computersimulation gelenkt?

Hat Computersimulation noch etwas mit Kunst zu tun?

Was soll man davon halten, wenn der greise König Lear in einer modernen Inszenierung die Hälfte der Aufführung zwar mit einem Umhang bekleidet, jedoch mit entblößtem Pippimann über die Bühne schleicht?


Was ist Kunst? Was darf sich Kunst nennen, wie definiert sich Kunst?
Ist Kunst reine Geschmacksache oder steht dahinter ein Anspruch dem Kunst, letztendlich auch im literarischen Anspruch, gerecht werden sollte.

Kunst scheint mir etwas zu sein, was über das a priori des Erkennens hinaus geht, ist es gerade deshalb wichtig über Kunst, Literatur im speziellen, zu philosophieren?

Freundliche Grüße
Angelia


Nauplios ( Gast )
Beiträge:

22.06.2004 23:59
#2 RE:Eine kleine Einstiegshilfe Antworten

Hallo Angelia!

Du stellst sehr berechtigte Fragen an die Künste. Warum sind überhaupt die Künste ein Gegenstand philosophischer Reflexion? Bei Plato, mit dessen Symposion wir uns ja zur Zeit beschäftigen, bilden die Künste Gegenstände der sinnlichen Welt ab; sofern diese Gegenstände ihrerseits bereits Abbilder (von den Ideen) sind, erzeugen die Künstler also Abbilder von Abbildern. Folglich stehen sie bei Plato in Verdacht, im zweifachen Sinne bloß indirekt mit dem "Eigentlichen", dem Wesentlichen zu tun zu haben. Plato verdächtigt sogar die Dichter, durch ihre "Ammenmärchen" Vernunft und Polis zu verderben; die Kunst als Nachahmung wird abgewertet. Gleichwohl hat das Schöne ja im Symposion den zentralen Stellenwert, durch "erotisches" Fortschreiten in seine Richtung auch zum sittlich Guten und Wahren zu führen.

Im christlichen Mittelalter ist dann die Kunst eine Funktion der Religion. Ihre Dienstbarmachung verhindert einen Gedanken, der für die Moderne kennzeichnend sein wird, den der "Autonomie der Kunst". Sie deutet sich etwa in Nietzsches hymnischem Satz an: "Die Kunst und nichts als die Kunst!" - Unserem modernen Verständnis von Kunst liegt der Gedanke zugrunde, daß Kunst nicht länger instrumentalisierbar ist - weder durch den Mythos, noch durch religiöse oder höfische Indienstnahme. Die moderne philosophische Ästhetik charakterisiert die Kunst als autonom. Und dennoch bleibt diese Autonomie - vor allem im Anschluß an Marx - ein umstrittenes Thema, weil jetzt ihre "gesellschaftliche Bedingtheit", ihre "Verortung" im sozialen Kontext entdeckt wird. Während etwa das Mittelalter im Künstler bestenfalls ein "Gefäß Gottes" sah, sieht die Moderne in ihm das schaffende Genie. Das Kunstwerk hat jetzt seine eigene Wahrheit oder sogar "Seinsweise"; es öffnet sich eine eigene Dimension von menschlichem Weltverhältnis und diesem Weltverhältnis wird zugestanden, Elemente der Wirklichkeit - etwa in nichtdiskursiver Rede - besser zeigen zu können als es die Wissenschaft vermöchte.

Was nun die Theorien des Kunstwerks im 20. Jahrhundert betrifft, so wäre hier zu zeigen, wie sich der Aspekt der Ästhetik vom Kunstwerk auf den "Rezipienten" verschiebt ("Rezeptionsästhetik"), z. B. bei Hans Robert Jauß, Rüdiger Bubner oder Hans Georg Gadamer. Ich denke, wir werden im Verlauf unserer Diskussion noch dazu kommen. So weit erst mal für heute.

Liebe Grüße

Nauplios

Thomas Offline



Beiträge: 2

27.06.2004 02:34
#3 RE:Eine kleine Einstiegshilfe Antworten

Man mag von Friedrich Nietzsche halten was man will
Ich erinnere mich, einen sehr wesentlichen Satz von/über ihn/ihm gelesen zu haben. Nietzsche glaubte, so meine Erinnerung (hoffentlich trügt sie nicht), nur die Kunst könne aus dem Debakel seiner Zeit retten und quasi die Welt neu schaffen.

An diesem Gedanken ist etwas dran. Kunst ist ein Freiraum. Es MUSS nicht unmittelbar verwertbar sein, was sie erschafft. Es darf daneben gehen und pure Fiktion bleiben. Wenns dann trotzdem umgesetzt wird und ein Riesenerfolg wird ... um so besser
Kunst arbeitet, denke ich, im wesentlichen mit Gefühlen und Erwartungen, die in (positive oder negative) "Visionen" umgesetzt sind. Und diese Visionen können die Kraft haben, die Entwicklung einer Gesellschaft voran zu treiben (können ... nicht: müssen!) Übrigens auch dann, wenn die Vision ins Kleid der Vergangenheit gekleidet ist. War es nicht Rousseau, der mit dem Bild vom Urmenschen zugleich die Vision einer freien Gesellschaft ohne Zwänge und Scham schuf....?

Kunst ist Reflexion der Vergangenheit und Vision der Zukunft im Prisma der Verfremdung.
Kunst ist unsre Beziehung zum Gestern, unser Stachel im Heute und unsere Fähigkeit zum Morgen ... um mal neunmalkluge Worte zu kreieren :D
Thomas

Btw ... Inwiefern Bohlen und co in diese Definition passen (Stachel im Heute LOL) ... sei dahin gestellt :D

Angelia ( Gast )
Beiträge:

13.07.2004 22:42
#4 RE:Eine kleine Einstiegshilfe Antworten

Hallo Thomas
Hallo Nauplios

Nauplios:
>>Du stellst sehr berechtigte Fragen an die Künste. Warum sind überhaupt die Künste ein Gegenstand philosophischer Reflexion? Bei Plato, mit dessen Symposion wir uns ja zur Zeit beschäftigen, bilden die Künste Gegenstände der sinnlichen Welt ab; sofern diese Gegenstände ihrerseits bereits Abbilder (von den Ideen) sind, erzeugen die Künstler also Abbilder von Abbildern. Folglich stehen sie bei Plato in Verdacht, im zweifachen Sinne bloß indirekt mit dem "Eigentlichen", dem Wesentlichen zu tun zu haben. Plato verdächtigt sogar die Dichter, durch ihre "Ammenmärchen" Vernunft und Polis zu verderben; die Kunst als Nachahmung wird abgewertet.<

Müssen wir uns nicht im allgemeinen mit den Abbildern zufrieden geben?
Kann man denn über das a priori hinaus denken? Ohne die Erzeugung von Abbildern würde die Welt der Menschen dann so existieren wie sie sich in der Realität darstellt? Ich denke, Platon wollte mit seiner Kritik ähnliches ausdrücken, wie Alighieri sinngemäß meinte, man könne über Wesen, Zustände und Eigenschaften nicht sprechen als seinen sie ein Ding. Quasi über die Gegenstände ( Ideen) die man aus der sinnlichen Welt nach Platon kommen sieht.
Man kann sie nur beschreiben. Doch dann zumindest sollte man es mit Sinn und Verstand tun. Es sei töricht und eine große Schande unter dem Gewand schöner Wendungen zu reimen ( oder insgesamt zu gestalten ) aber sobald das Gesagte ( das Gestaltete) vom rhetorischen Schmuck befreit ist, praktisch nach ihrem Sinn befragt, würden diese Worte ( das Gestaltete) keinen Sinn mehr ergeben.
Ich frage mich auch, ob Philosophie aus der Kunst des Gestaltens, das Schaffen von Abbildern, überhaupt erst entstehen konnte.

Thomas:
Man mag von Friedrich Nietzsche halten was man will
Ich erinnere mich, einen sehr wesentlichen Satz von/über ihn/ihm gelesen zu haben. Nietzsche glaubte, so meine Erinnerung (hoffentlich trügt sie nicht), nur die Kunst könne aus dem Debakel seiner Zeit retten und quasi die Welt neu schaffen.<


Ich fand folgendes dazu ergänzend im Net von Schiller:>> „Die Natur hat nur G e s c h ö p f e, die Kunst hat M e n s c h e n gemacht“,

Und weiter:

„Die Natur fängt mit dem Menschen nicht besser an als mit ihren übrigen Werken: sie handelt für ihn, wo er als freie Intelligenz noch nicht selbst handeln kann. Aber eben das macht ihn zum Menschen, dass er bei dem nicht stille steht, was die bloße Natur aus ihm machte, sondern die Fähigkeit besitzt, die Schritte, welche jene mit ihm antizipierte, durch Vernunft wieder rückwärts zu tun, das Werk der Not in ein Werk seiner freien Wahl umzuschaffen, und die physische Notwendigkeit zu einer moralischen zu erheben.“ Zunächst bezeichnet also das D r ä n g e n n a c h F r e i h e i t den künstlerischen Zustand für Schiller: der Not kann der Mensch nicht entrinnen, er „schafft sie aber um“; indem er das tut, bewährt er sich als Künstler. Als solcher benutzt er die Elemente, die ihm die Natur bietet, um sich eine neue Welt des Scheins zu errichten; jedoch hieraus ergibt sich ein Zweites, und gerade dieses Zweite darf unter keiner Bedingung übersehen werden: indem der Mensch „in seinem ästhetischen Stande“ sich gewissermaßen „außer der Welt stellt und sie betrachtet“, findet es sich, dass er diese Welt, die Welt außer ihm, zum erstenmal deutlich erblickt! Freilich war es ein Wahn gewesen, sich aus dem Schosse der Natur losringen zu wollen, gerade dieser Wahn aber leitet ihn nunmehr dazu, sich der Natur völlig und richtig bewusst zu werden: „denn der Mensch kann den Schein nicht von der Wirklichkeit reinigen, ohne zugleich die Wirklichkeit von dem Scheine frei zu machen.“ Erst wenn er zu d i c h t e n begonnen hat, beginnt der Mensch auch bewusst zu d e n k e n; erst wenn er selber baut, wird er auf die Architektonik des Weltgebäudes aufmerksam. Wirklichkeit und Schein sind anfangs in seinem Bewusstsein vermengt; die bewusste, freischöpferische Beschäftigung mit dem Schein ist der erste Schritt, um zu einer möglichst freien, reinen Erkenntnis der Wirklichkeit zu gelangen. <<


Was sagt ihr dazu?

lieben Gruß

Angelia

TemporarySilent Offline




Beiträge: 231

16.08.2004 17:22
#5 RE:Eine kleine Einstiegshilfe Antworten

In Antwort auf:
Müssen wir uns nicht im allgemeinen mit den Abbildern zufrieden geben?
Kann man denn über das a priori hinaus denken? Ohne die Erzeugung von Abbildern würde die Welt der Menschen dann so existieren wie sie sich in der Realität darstellt? Ich denke, Platon wollte mit seiner Kritik ähnliches ausdrücken, wie Alighieri sinngemäß meinte, man könne über Wesen, Zustände und Eigenschaften nicht sprechen als seinen sie ein Ding. Quasi über die Gegenstände ( Ideen) die man aus der sinnlichen Welt nach Platon kommen sieht.

Liebe Angelia,
nach wie vor gehe ich davon aus,daß Realität etwas gemeinsam Konstruiertes ist,sozusagen ein Konsens zwischen Menschen.Selbst mir ist der bloße Abbildcharakter verhaßt, dennoch würde ich nur soweit gehen, dass es nicht eine Wahrheit,gewissermaßen eine universelle Wahrheit hinter den Abbildern gibt.Die Wahrheit ist enkodiert und Menschen bedienen sich gewisser DeKodierungsmöglichkeiten,um das Wesentliche zu entschlüsseln.Im positiven Sinne."it´s a kind of magic". Im negativen Sinne "es etabliert das vorherrschende System ohne Ausweg auf Alternativen".

best wishes =)

Temp
the opposite of blues is celebration - don´t walk in my shoes if you don´t know

Haselmaus ( Gast )
Beiträge:

04.10.2004 02:11
#6 RE:Eine kleine Einstiegshilfe Antworten


kunst.. im grunde schließ ich mich dem beitrag von thomas an.
kunst spiegelt die gesellschaft, sie schaut in die vergangenheit, ist gegenwart, und wagt auch blicke in die zukunft.
kunst bedeutet denk ich, mit dem, was man schafft etwas auszudrücken. zu provozieren, zu spiegeln, zu träumen, gedanken und gefühle .... kunst ist etwas, mit dem man ohne sprachliche oder sonstige barrieren mit anderen menschen komunizieren kann.
was jeder für sich selbst als kunst empfindet oder was als mutigen umgang mit verschiedenen materialien ....... mir fällt dabei spontan die ausstellung körperwelten ein. .... ich war, als ich davon hörte zunächst mal tief geschockt und von dieser art "kunst" abgestoßen. hab dieses hickhack in den medien zeitung und fernsehen mitverfolgt, . mir viele fragen gestellt über das warum, die ethik und ....... ja, der menschliche körper ist ein faszinierendes wunderwerk, aber die art der darstellung erzeugte bei mir eher negative und ablehnende gefühle.
im grunde war am ende mein konsens .... ...... es ist eine art kunst, die ich weder durch zahlen von eintrittsgeldern, noch durch den kauf von schriftmaterial unterstützen wollte.
aber darf man die meinung, die man von etwas hat anderen menschen als richtig unterbreiten?

nachdenkliche grüsse
Haselmaus

Oderlaender Offline



Beiträge: 2

06.02.2005 20:36
#7 RE:Eine kleine Einstiegshilfe Antworten

über die frage der kunst oder besser gesagt den stellenwert und die betrachtung sehe ich immer im zusammenhang des seins in der gesellschaft.
die kunst ist immer auch ausdruck der gegenwärtigen gesellschaftsstellung zur kultur! wenn der künstler erreicht hat das man sich mit seinen werken auseinandersetzt sei es im nagativen oder positiven so hat er doch das erreicht was sein anliegen ist.jahrelang habe ich versucht mich mit der moderne anzufreunden sei es in der musik oder aber auch in der malerei usw. doch meistens fehlte mir der bezug zu den sogenannten
kunstwerken der gegenwart.ich möcht noch anmerken das ich kulturwissenschaft studiert habe und auch auch auf diesen gebiet tätig war.

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