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Dieses Thema hat 7 Antworten
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 Ludwig Wittgenstein - Philosophische Untersuchungen
Nauplios Offline




Beiträge: 41

22.03.2005 19:52
PU 001 - 064 Antworten

Es ist selten, daß Wittgenstein in den Philosophischen Untersuchungen zitiert; gleich zu Beginn tut er es und zwar mit einer Stelle aus den Confessiones des Augustinus (I/8): "cum ipsi (majores homines) appellabant rem aliquam, et cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. Hoc autem eos velle ex motu corporis aperiebatur: tamquam verbis naturalibus omnium gentium, quae fiunt vultu et nutu oculorum, ceterorumque membrorum actu, et sonitu vocis indicante affectionem animi in petendis, habendis, rejiciendis, fugiendisve rebus. Ita verba in variis sententiis locis suis posita, et crebro audita, quarum rerum signa essent, paulatim colligebam, measque iam voluntates, edomito in eis signis ore, per haec enuntiabam." - Der Augustinusübersetzer Joseph Bernhart übersetzt die Stelle so: "Wenn die Menschen eine Sache nannten, und wenn sie entsprechend diesem Wort ihren Körper auf etwas hinbewegten, so sah ich und behielt ich, daß durch diese ihre Laute jene Sache von ihnen bezeichnet werde, auf die sie mich hinweisen wollten. Daß sie dies aber wollten, wurde offenbar aus der Bewegung ihres Körpers, jener natürlichen Sprache aller Völker, die durch Miene und Augenwink zustandekommt, durch die Gebärden der übrigen Glieder und den Ton der Stimme, der die Regung der Geistseele erkennen läßt, ob sie nach etwas verlange, es besitze, es abweise oder fliehe. So lernte ich allmählich, für welche Sachen die Wörter, die ich in allerlei Sätzen an ihrer bestimmten Stelle immer wieder hörte, die Bezeichnungen waren, und als mein Mund sich an diese Bezeichnungen gewöhnt hatte, begann ich mein Willensleben durch sie auszudrücken." - In der legendären Übersetzung Hans Urs v. Balthasars liest sich die Stelle so: "Wenn man einen Gegenstand nannte und man sich entsprechend dem Laut auf die Sache zubewegte, dann sah ich und merkte mir, daß man mit den Lauten das Ding bezeichnete, das man mir zeigen wollte. Daß man es wollte, erhellte aus der Körperbewegung, wie aus der Natursprache aller Völker, die sich ausgedrückt durch Mienenspiel und Augenzwinkern und andere Gliedergebärden und dem Ton der Stimme, woran man die seelische Gestimmtheit erkennt beim Erstreben, Besitzen, Verwerfen oder Meiden von Sachen. So lernte ich die in verschiedenen Sätzen gebrauchten, oft wiederkehrenden Worte allmählich in ihrem Zeichensinn verstehen, mein Mund gewöhnte sich daran, und ich konnte durch sie meine Wünsche andern verständlich machen." - Wittgenstein selber hat es sich nicht nehmen lassen, die Augustinusstelle zu übersetzen und in seiner Übersetzung liest sich das Ganze so (Hervorhebungen von mir): "Nannten die Erwachsenen irgend einen Gegenstand und wandten sie sich dabei ihm zu, so nahm ich das wahr und ich begriff , daß der Gegenstand durch die Laute, die sie aussprachen, bezeichnet wurde, da sie auf ihn hinweisen wollten. Dies aber entnahm ich aus ihren Gebärden, der natürlichen Sprache aller Völker, der Sprache, die durch Mienen- und Augenspiel, durch die Bewegungen der Glieder und den Klang der Stimme die Empfindungen der Seele anzeigt, wenn diese irgendetwas begehrt, oder festhält, oder zurückweist, oder flieht. So lernte ich nach und nach verstehen , welche Dinge die Wörter bezeichneten , die ich wieder und wieder , an ihren bestimmten Stellen in verschiedenen Sätzen, aussprechen hörte. Und ich brachte, als nun mein Mund sich an diese Zeichen gewöhnt hatte, durch sie meine Wünsche zum Ausdruck." -

Wittgenstein gibt im weiteren Verlauf der Philosophischen Untersuchungen an, warum er diese Textstelle aus den Confessiones zitiert und übersetzt. In Augustins Auffassung des Spracherwerbs ist viel von Tätigkeiten der Erwachsenen und Tätigkeiten des jungen Augustin die Rede: "Nannten", "wandten sich ... zu", "nahm ich ... wahr", "ich begriff" ... Die Tätigkeiten des Kindes setzen dabei schon ein hohes Maß an Sprachbeherrschung voraus; Wittgenstein will durch seine Übersetzung gerade diese Leistungen des Kindes betonen: "cum ... appellabant ... et ... movebant, videbam" bedeutet ja streng genommen nur, daß das Kind Augustin den Ablauf sah, nicht jedoch, was damit vor sich ging (dann müßte eigentlich Konjunktiv oder a.c.i. stehen). Ebenso heißt "Hoc ... aperiebatur" eigentlich "das war offenkundig" und nicht "dies ... entnahm ich" und auch "quarum rerum signa essent" hat mehr die Bedeutung von "welche Dinge die Wörter bezeichnen sollten " und nicht "welche Dinge die Wörter bezeichneten" ... - Wittgenstein wählt ganz bewußt ein Zitat, das die Zuwendungsvorstellung gut illustriert und er (über-)betont durch seine Übersetzung diese Funktion auch noch. Seine Kritik dieser - von Augustin entlehnten - Sprachvorstellung wendet sich gegen die Ansicht, die Wörter einer Sprache würden einzig dem Zweck dienen, Gegenstände zu benennen und Sätze würden dementsprechend Verbindungen solcher Benennungen sein. "In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht." Wittgenstein kritisiert diese "Gegenstandstheorie der Bedeutung", nach welcher der einzelne schon selbst mitbringe, was er brauche, um Wörter bedeutungsvoll zu benutzen. Ausdrücke sind aber als Wörter nicht deshalb bedeutungsvoll, weil der Sprecher sich bei ihrem Gebrauch ihren Bedeutungen "zuwendet", sondern einzig durch ihre Verwendung in Sprachspielen. (s. dazu den Thread Wittgenstein zur Einführung .
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"Seht ihr den Mond dort stehen? - / Er ist nur halb zu sehen / Und ist doch rund und schön!" (Matthias Claudius) [ein letztlich von Wittgenstein verworfener Mottovorschlag für seine "Philosophischen Untersuchungen".

BlueHorizon Offline




Beiträge: 80

23.03.2005 03:56
#2 RE:PU 001 - 064 Antworten

Dear Nauplios

There are some questions conquering my mind .This is related to "Philosophical Grammar §62"
Wittgenstein says ‘That’s him (this picture represents him) – that contains the whole problem of representation…’ What problem does he refer to here, and why was it so important for his philosophy?
How, if at all, does Wittgenstein’s later thinking on mind differ from that of the logical behaviourist? Is Wittgenstein vulnerable to the same objections as the logical behaviourist?

..... take your time

regards

Blue
The existence of truth only becomes an issue when another sort of truth is in question. (R.Rorty)

Nauplios Offline




Beiträge: 41

23.03.2005 13:05
#3 RE:PU 001 - 064 Antworten

Lieber BlueHorizon!

Leider kenne ich weder Wittgenstein gut genug, noch den "logischen Behaviorismus", der wohl von G. Ryle (The Concept of Mind 1948) vertreten wird, um Deine Fragen beantworten zu können. - Ich befinde mich in der (sprach-)analytischen Philosophie noch ganz am Anfang. Vielleicht ergeben sich Hinweise zu Deinen Fragen ja noch im weiteren Verlauf der Beschäftigung mit Wittgenstein ...

Liebe Grüße

Nauplios
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Nauplios Offline




Beiträge: 41

24.03.2005 03:04
#4 RE:PU 001 - 064 Antworten

Augustinus´Auffassung der Sprache ist für Wittgenstein "zu einfach", weil sie übersieht, daß man beim Gebrauch der Sprache mehr tut , als bloß etwas benennen. Der allgemeine - an Augustinus´Sprachtheorie angelehnte - Begriff der Bedeutung umgibt das Funktionieren der Sprache mit einem Dunst, der das deutliche Sehen verhindert. Wittgenstein schlägt daher vor, die Erscheinungen der Sprache an "primitiven Arten ihrer Verwendung" zu studieren. Eine solche primitive Form der Sprache verwendet z. B. das Kind, wenn es sprechen lernt: "Das Lehren der Sprache ist hier kein Erklären, sondern ein Abrichten." - Kindern kann man ja noch nicht sagen, was sie wann tun oder was sie wann sagen sollen, solange sie das, was man ihnen da sagen würde, noch nicht verstehen. Ihnen wäre mit einer Definition im Sinne einer "hinweisenden Erklärung" nicht geholfen, wohl aber durch ein "hinweisendes Lehren" der Wörter. Dadurch kommt eine assoziative Verbindung zwischen dem Wort und dem Ding zustande. Philosophische Untersuchung 2 gibt ein Beispiel dafür:

"Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt: Die Sprache soll der Verständigung eines Bauenden A mit einem Gehilfen B dienen. A führt einen Bau auf aus Bausteinen; es sind Würfel, Säulen, Platten und Balken vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, und zwar nach der Reihe, wie A sie braucht. Zu dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den Wörtern: `Würfel´, `Säule´, `Platte´, `Balken´. A ruft sie aus; - B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen. - Fasse dies als vollständig primitive Sprache auf."

Dies ist ein Beispiel für ein Sprachspiel. Dabei kommt es Wittgenstein wesentlich auf die Verwobenheit des handelnden Gebrauchs der Sprache mit nichtsprachlichen Tätigkeiten an. Sprachspiel ist also kein terminus technicus, welcher durch bestimmte Merkmale zu definieren wäre; in den Philosophischen Untersuchungen findet sich nirgendwo eine explizite Definition, sondern Wittgenstein gibt einzig Beispiele und will diese in bestimmter Weise verstanden wissen.
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NietzscheIsDead Offline




Beiträge: 119

26.03.2005 08:20
#5 RE:PU 001 - 064 Antworten


Dear Temp, Nauplios and Blue


31. (continued)
We may say: only someone who already knows how to do something with it can significantly ask a name.

How can you ask a name, for example, for a mathematical function that quantum physics uses if you do not know anything about quantum physics?
And when the child first learns to speak a simple word like "dog", the term does not necessarily fit into its schema of things in a comfortable way. We can imagine that it would be applied to a range of inappropriate things, not only cows and pigs, but it might be used to mean I want to go outside (where the child encountered the dog.) And this may happen more than we realize because we are so familiar with the concept "dog" that we could well presume that the child was using it within the rules of our language when the child is not.

The point is that even though the exercises of pointing and naming may be useful in learning a language game, they are not enough to explain the acquisition of meaningful language .

There is, however, another form of training children in language that will be helpful here. Philosophically, our culture tends to overlook this training, widespread though it is, in favor of training in pointing and naming. Wittgenstein introduces this other form of training when he says:

7 (continued)
We can also think of the whole process of using words in (2) as one of those games by means of which children learn their native language. I will call these games 'language-games' and will sometimes speak of a primitive language as a language-game.
And the processes of naming the stones and of repeating words after someone might also be called language-games. Think of much of the use of words in games like ring-a-ring-a-roses.

Also, think of "patty-cake, patty-cake, baker's man," or think of "this little piggy went to market, this little piggy..." What is distinctive about such children's games is that they can be learned without the children knowing what the words mean. The words can be memorized along with with specific actions corresponding to the words (e.g., "all fall down").
Primitive language games such as (2) are rather like that. The worker might learn to bring a beam on command without knowing the purpose of the beam.

And children learning English are taught such mechanical responses before they understand the meaning of what they do and say. "How old are you?" the adult says, and the child holds up three fingers without knowing that each finger stands for a year -- or even what a year is.

All of these things are "language games", but Wittgenstein adds:

(7 continued)
I shall also call the whole [of language], consisting of language and the actions into which it is woven, the 'language-game.'"

In summary, then, the term "language game" has several related meanings. Sometimes it will refer to the primitive models of language that Wittgenstein constructs for us to study, sometimes to the supporting language practices that enable children to learn and finally, it will refer to the whole of a language like German or English as a "language game."
Then, in (23), Wittgenstein begins drawing a relationship between primitive language games and similar language games that are contained within a full language such as English. Here he speaks of the multiplicity of language games. He says:

"23...Review the multiciplicity of language games in the following examples, and in others:
Giving orders, and obeying them--
Describing the appearance of an object, or giving its measurements-- Constructing an object from a description (a drawing)--
Reporting an event--
Speculating about an event--
Forming or teasing a hypothesis--
Presenting the results of an experiment in tables and diagrams--
Making up a story; and reading it--
Singing catches--
Guessing riddles--
Making riddles--
Making a joke; telling it--
Solving a problem in practical arithmetic--
Translating from one languge into another--
Asking, thanking, cursing, greeting, praying.

Ask yourself how are these individual games are similar to (2)? Like (2) they each have their own unique rules. The words "A large bear came upon the scene" is understood differently if one thinks of it as a description, a reporting of an event, a forming of a hypothesis, or the telling of a story. This means, there are different rules for interpreting words in the different language games.
And so, in English, there are many kinds of language games. How many kinds? Countless kinds. He says:

23. (continued)
But how many kinds of sentence are there? Say assertion, question, and command? --There are 'countless' kinds: countless different kinds of use of what we call 'symbols', 'words', 'sentence'. And this multiplicity is not something fixed, given once for all; but new types of language, new language games, as we may say, come into existence and others become obsolete and get forgotten. (We can get a 'rough picture' of this from the changes in mathematics.)

Complicating matters further, we soon learn that we can organize a whole language into its component language games using various schemes just as we might organize a collection of stones according to their size or according to their color. We organize them one way for one purpose and another way for another purpose.
Wittgenstein says:

23. (continued)
Here the term 'language game' is meant to bring into prominence the fact that the 'speaking' of language is part of an activity, or form of life.

In summary, the term "language games" has a family of related meanings. It refers to models of primitive language that Wittgenstein invents to clarify the working of language in general. It refers to games that children play that enables them to learn langauge and it refers to a multiplicity of language practices in our ordinary languages as well as the whole of any ordinary language.
But for all of that complexity, it has some specific connotation that highlights certain dimensions of language that often pass unnoticed. It draws our attention to the way language works to prompt a desired (or perhaps undesired) response. It also draws our attention to the way in which these language games can be learned before we have mastered the individual concepts used in the game. And it will later draw our attention to the way in which we can confuse language games and become muddled, how this is a natural and inevitable part of any philosophical attempt. And, finally, the concept presents itself as a way of analyzing those muddles so as to dispel them.

warm regards

NID


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"Is not all life the struggle of experience, naked, unarmed, timid but immortal, against generalised thought?" (W.B.Yeats)

Nauplios Offline




Beiträge: 41

30.03.2005 03:49
#6 RE:PU 001 - 064 Antworten

Ihr Lieben!

NID hat sich in seinem letzten Beitrag sehr viel Mühe damit gemacht, die wesentlichen Grundaussagen aus Wittgensteins Überlegungen zum Sprachspielbegriff herauszuarbeiten. Deshalb möchte ich seinen Text hier noch einmal ins Deutsche übertragen. Das nimmt mir erstens einen Teil der weiteren Darstellung ab ... und zwingt mich zweitens dazu, mich noch einmal intensiv mit NIDs Text zu befassen und nützt drittens der allgemeinen Verständigung ...

Liebe Temp, Nauplios und Blue

"Wir können sagen: Nach der Benennung fragt nur der sinnvoll, der schon etwas mit ihr anzufangen weiß." ( Phil. Untersuchungen 31 ).

Wie kann man zum Beispiel nach dem Namen für eine mathematische Funktion fragen, welche die Quantenphysik verwendet, wenn man überhaupt nichts über Quantenphysik weiß?
Und wenn das Kind zunächst ein einfaches Wort wie "Hund" zu sprechen lernt, paßt der Ausdruck nicht ohne weiteres gut in sein Schema der Dinge. Wir können uns vorstellen, daß es vielleicht auf einen Bereich unpassender Dinge angewendet wird, nicht nur auf Kühe oder Schweine, aber daß es eben so verwendet wird, daß ich nach draußen gehen möchte (wo das Kind dem Hund begegnete). Dies kann öfter geschehen als wir erkennen, weil wir so vertraut sind mit dem Konzept "Hund", daß wir geneigt sind anzunehmen, daß das Kind es (das Konzept) innerhalb der Regeln unserer Sprache verwendet hat - auch wenn das Kind es möglicherweise nicht getan hat.

Der wesentliche Punkt ist, daß - obwohl die Einübung des Hinweisens und Benennens für das Erlernen eines Sprachspiels nützlich sein können - sie nicht hinreichend ist, den Erwerb bedeutungsvoller Sprache zu erklären.

Es gibt jedoch eine weitere hilfreiche Art, Kinder im Spracherwerb zu unterrichten. Philosophisch tendiert unsere Kultur dazu, dieses Training zu übersehen, obwohl es weitverbreitet ist, zugunsten des Hinweisens und Benennens. Wittgenstein führt diese andere Art des Trainings ein wenn er sagt:

"Wir können uns auch denken, daß der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte in (§2) eines jener Spiele ist, mittels welcher Kinder ihre Muttersprache erlernen. Ich will diese Spiele `Sprachspiele´ nennen, und von einer primitiven Sprache manchmal als einem Sprachspiel reden.
Und man könnte die Vorgänge des Benennens der Steine und des Nachsprechens des vorgesagten Wortes auch Sprachspiele nennen. Denke an manchen Gebrauch, der von Worten in Reigenspielen gemacht wird."

Denke auch an "Backe, Backe Kuchen ... der Bäcker hat gerufen" ... oder denke an "Dieses kleine Schweinchen ging zum Markt .... " - Das Typische an diesen Kinderspielen ist, daß sie erlernt werden können, ohne daß die Kinder die Bedeutung der Worte kennen. Die Wörter können auswendig gelernt werden mit bestimmten Handlungen, die den Wörtern korrespondieren (z.B. "Alle fallen um").
Primitive Sprachspiele wie in § 2 (P.U.) funktionieren so ähnlich. Der Arbeiter (in § 2 der P.U.) kann lernen, eine Säule auf Befehl herbeizuschaffen ohne den Verwendungszweck der Säule zu kennen.

Und Kindern, die Englisch lernen, werden solche mechanischen Antworten beigebracht, ehe sie die Bedeutung dessen verstehen, was sie tun und sagen. "Wie alt bist du?" fragt der Erwachsene und das Kind hält drei Finger hoch ohne zu wissen, daß jeder Finger für ein Jahr steht - oder sogar ohne zu wissen, was ein Jahr bedeutet.

All diese Beispiele sind Sprachspiele und Wittgenstein fügt hinzu:

"Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das `Sprachspiel´ nennen."

Zusammengefaßt hat also der Ausdruck "Sprachspiel" mehrere Bedeutungen. Manchmal bezieht sich "Sprachspiel" auf die primitiven Sprachmodelle, die Wittgenstein uns zum Studieren aufgibt, manchmal auf die unterstützenden Sprachpraktiken, welche Kindern das Lernen ermöglichen und schließlich auf das Ganze der Sprache wie Deutsch oder Englisch.
Dann, in § 23 zieht Wittgenstein eine Verbindung zwischen primitiven Sprachspielen und ähnlichen Sprachspielen, die in einer reichhaltigen Sprache enthalten sind wie dem Englischen. Hier spricht er von der Vielzahl der Sprachspiele. Er schreibt:

"Führe dir die Mannigfaltigkeit der Sprachspiele an diesen Beispielen, und anderen, vor Augen:
Befehlen, und nach Befehlen handeln -
Beschreiben eines Gegenstands nach dem Ansehen, oder nach Messungen -
Herstellen eines Gegenstands nach einer Beschreibung (Zeichnung) -
Berichten eines Hergangs -
Über den Hergang Vermutungen anstellen -
Eine Hypothese aufstellen und prüfen -
Darstellen der Ergebnisse eines Experiments durch Tabellen und Diagramme -
Eine Geschichte erfinden; und lesen -
Theater spielen -
Reigen singen -
Rätsel raten -
Einen Witz machen; erzählen -
Ein angewandtes Rechenexempel lösen -
Aus einer Sprache in die andere übersetzen -
Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten."

Frag´dich selbst, wie diese einzelnen Spiele sich dem in § 2 ähneln. Wie in § 2 haben sie ihre einzigartigen Regeln. Die Worte "Ein großer Bär betrat die Bühne" werden unterschiedlich verstanden, je nachdem ob man sie als Beschreibung, als Berichterstattung, als Form einer Hypothese oder als Erzählung versteht.
Das heißt, es gibt verschiedene Interpretationsregeln für Wörter in unterschiedlichen Sprachspielen.
Und so gibt es im Englischen viele Arten von Sprachspielen. Wie viele? Unendlich viele. Wittgenstein schreibt:

"Wieviele Arten der Sätze gibt es aber? Etwa Behauptung, Frage und Befehl? - Es gibt `unzählige´ solcher Arten: unzählige verschiedene Arten der Verwendung alles dessen, was wir `Zeichen´, `Worte´, `Sätze´, nennen. Und diese Mannigfaltigkeit ist nichts Festes, ein für allemal Gegebenes; sondern neue Typen der Sprache, neue Sprachspiele, wie wir sagen können, entstehen und andre veralten und werden vergessen. (Ein ´ungefähres Bild´davon können uns die Wandlungen der Mathematik geben.)"

Was die Sache weiter kompliziert: Wir lernen bald, daß wir eine ganze Sprache in ihre elementaren Sprachspiele anordnen können, indem wir verschiedene Schemata benutzen so wie wir eine Sammlung von Steinen anordnen können nach ihrer Größe oder nach ihrer Farbe. Wir ordnen sie einmal für den einen Zweck an - ein andermal für einen anderen Zweck. Wittgenstein schreibt:

"Das Wort Sprachspiel soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform." (P.U. 23)

Zusammengefaßt hat der Ausdruck "Sprachspiel" eine Familie von verwandten Bedeutungen. Er bezieht sich auf Modelle von primitiven Sprachen, welche Wittgenstein erfindet, um das Funktionieren der Sprache im allgemeinen zu erklären. "Sprachspiel" bezieht sich auch auf Kinderspiele, durch die sie die Sprache erlernen und ebenso auf die Mannigfaltigkeit der Sprachpraktiken - sowohl in unserer normalen Sprache als auch in jeder normalen Sprache schlechthin.

Aber im Hinblick auf diese ganze Komplexität hat der Ausdruck "Sprachspiel" eine bestimmte Konnotation, die gewisse Dimensionen der Sprache, welche oft unbemerkt bleiben, aufhellt. Er richtet unsere Aufmerksamkeit auf die Art und Weise, wie die Sprache arbeitet, um eine gewünschte (oder ungewünschte) Antwort zu veranlassen. Er richtet unsere Aufmerksamkeit ebenso auf die Art und Weise, wie diese Sprachspiele gelernt werden können, bevor wir die einzelnen Konzepte beherrschen, die in dem Spiel verwendet werden. Und später wird er unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, daß wir Sprachspiele durcheinander bringen und verwirrt werden und wie dies ein natürlicher und unvermeidlicher Teil jedes philosophischen Versuchs ist. Und schließlich zeigt sich dieses Konzept als eine Möglichkeit, jenes Wirrwarr sowohl zu analysieren als auch zu entwirren.

Liebe Grüße

NID

Soweit also NIDs oben stehender Beitrag. Für seine ausführlichen Erklärungen geht mein Dank an NID - aber auch an TemporarySilent, die mir bei der Übersetzung behilflich war.


Liebe Grüße

Nauplios


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NietzscheIsDead Offline




Beiträge: 119

30.03.2005 22:56
#7 RE:PU 001 - 064 Antworten

Dear Nauplios

I feel flattered that you did a translation - hope everybody will be encourage to respond..-
Will return to your thread asap.


warm regards


NID


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BlueHorizon Offline




Beiträge: 80

02.04.2005 18:13
#8 RE:PU 001 - 064 Antworten

Dear Nauplios, Temp and NID

One of the ways in with we give and receive clues about the amount of subjectivity involved in any focused philosopher is in the language we use to describe our subject matter. In addition we must also reconcile this language with the somewhat paradoxical idea behind trying to verbally describe that with is an already aurally received stimulus. This is common amongst all who use spoken language to communicate. We attempt to describe, through whichever language we speak, the happenings that have affected any and all of our senses.
It is why we have invented words for texture, why we have created names for colours (even the word colour itself), no matter how accurate the words themselves sound, always seem to fall short of really defining what philosophy is like.
The problem of accurately describing not only Wittgenstein´s philosophy has led often to the use of extraphilosophical associations to get our point across.
We may find, as readers and writers of philosophical postings, that it is sometimes more appropriate to evoke an familiar image to reinforce a particular idea about our subject.

regards

Blue
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The existence of truth only becomes an issue when another sort of truth is in question. (R.Rorty)

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