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Dieses Thema hat 14 Antworten
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 Martin Heidegger - Sein und Zeit
Hermeneuticus Offline



Beiträge: 8

08.03.2005 23:01
SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Hallo miteinander!

Ich habe eigentlich erst nur mal den Mund gespitzt, und jetzt soll ich schon pfeifen?

Na gut, Ihr habt es so gewollt...

- - - - - -

Was bleibt, wenn man 80 Jahre nach seinem Erscheinen auf SuZ zurückblickt? Was daran hatte philosophiegeschichtlich Bestand? In welcher Richtung hat es vor allem gewirkt?

Ich denke, dass nun, nachdem sich die ontologischen Nebel und die Pulverdämpfe der kontroversen Rezeptionsgeschichte gelichtet haben, vor allem eins klar hervortritt, und das ist die TRANSZENDENTAL-PRAGMATISCH ansetzende ANTHROPOLOGIE des Buches. Als das, was Heidegger zur Zeit der Abfassung darin sah, ist das Buch nur ein Fragment, ein Dokument des Scheiterns. Darum sollte man vielleicht die Spekulationen darüber lassen, worauf Heidegger EIGENTLICH hinaus wollte und wozu SuZ nur die Vorbereitung war. Lesen wir stattdessen das, was Heidegger in dem Buch tatsächlich geleistet hat: eine Phänomenologie der menschlichen Lebensbezüge, die zugleich eine kritische Revision der traditionellen, metaphysischen, "theoretischen" menschlichen Selbstverständigung ist.

Wieso nenne ich Heideggers philosophische Revision "transzendental-pragmatisch"? Was verstehe ich unter diesem Doppeladjektiv?

"Transzendental" ist nach meinem Verständnis eine philosophische Reflexion, wenn sie sich nicht mit Gegenständen einer bestimmten Art beschäftigt, sondern nach den (systematischen) Voraussetzungen, den "Bedingungen der Möglichkeit" dieser Gegenstände fragt. "Gegenstände" sind etwas anderes als "Dinge". Fragte man nach den Voraussetzungen von Dingen, hätte es wenig Sinn, sich eine Antwort von der philosophischen Reflexion zu versprechen; empirische Forschung wäre dann aussichtsreicher. Allerdings: Wenn wir Dinge erforschen, tun wir das immer AUF EINE BESTIMMTE WEISE. Die Dinge mögen sein, wie sie wollen, sie werden uns jeweils nur AUF DIE WEISE zum GEGENSTAND, in der wir mit ihnen umgehen, um sie in ihrem Sosein zu erkennen. Daher ist UNSERE Erkenntnis ihres Soseins stets von der Weise UNSERES Umgangs mit ihnen mitbedingt. - Eine philosophische Reflexion auf diesen von uns selbst zu verantwortenden Teil unserer Erkenntnis des Seienden, wie es ist, nenne ich "transzendental". Und ich denke, es lässt sich verhältnismäßig leicht zeigen, dass Heidegger in SuZ eine Reflexion dieser - von Kant initiierten - Art durchführt.


Was verstehe ich unter einer "pragmatisch" ansetzenden Philosophie? "Praktisch" ist seit Aristoteles ein Gegestück zu "theoretisch". Praktische Philosophie beschäftigt sich - gegenständlich - mit dem (menschlichen) Handeln, seinen Bedingungen und rationalen Strukturen. Als Philosophie ist nun auch die praktische Philosophie eine Art von "Theorie", sofern eben die philosophische Reflexion auf das Handeln etwas anderes ist als das Handeln selbst.
Aber nun fragt sich zunächst, welches Gewicht eine Philosophie dem Handeln einräumt - ob sie es nur als einen ihrer verschiedenen Gegenstände in den Blick nimmt oder als etwas Grundlegendes, und zwar auch grundlegend für sie selbst (die Theorie). Eine "pragmatische" Philosophie, könnte man sagen, betrachtet das Handeln in einer solchen grundlegenden Weise. Sie begreift auch sich selbst, die Theorie, als durchs Handeln und seine Strukturen mitbedingt, ja vielleicht sogar als EINE BESTIMMTE ART des Handelns.

Aber wenn Philosophie ihr Tun - die Reflexion - als eine bestimmte Art des Handelns begreift, bleibt das nicht folgenlos für die Einschätzung ihrer RESULTATE, die sie zutage fördert ("Wissen"). Bekanntlich hat Aristoteles nicht nur Theorie und Praxis unterschieden, sondern ihnen auch verschiedene Formen des Wissens zugeordnet. Wissenschaftliches Wissen, wie es die Philosophie produziert, unterliegt nach seinen Vorstellungen anderen Anforderungen als das Wissen, das wir zum Handeln oder zum technischen Herstellen benötigen. Wissenschaftliches Wissen hat einen andere Weise der "Strenge" und Gewissheit ("Allgemeinheit", "Notwendigkeit") als praktisches Wissen, das wir benötigen, wenn wir in bestimmten Situationen etwas tun oder herstellen wollen. - Hier wird, denke ich, absehbar, dass eine "pragmatisch" ansetzende Philosophie womöglich auch gewisse Konsequenzen für ihr eigenes methodisches Vorgehen ziehen wird. Oder zumindest wird ihr Selbstverständnis durch die Überlegung hindurchgehen müssen, welche Anforderungen sie an ihr Reflexionswissen stellt: Ist es ein "praktisches Wissen" (wenn doch auch das Philosophieren eine Praxis ist und daher situationsbedingt und -bezogen) oder muss es dennoch den strengen Anfordungen an Systematizität und Allgemeingültigkeit genügen, die man seit alters dem "theoretischen" Wissen zuordnet?


Was nun SuZ angeht, so möchte ich thesenartig behaupten, dass Heidegger darin eine pragmatische Anthropologie entwirft, ohne dass dieser "inhaltliche" Pragmatismus auf seine philosophische Methode durchschlägt. Der Ansatz von SuZ ist dennoch ein systematischer und "theoretischer", was bereits aus der Entscheidung erhellt, eine "Ontologie" zu verfassen, also einen Beitrag zu jener überkommenen "Disziplin" zu liefern, die es als "Metaphysica generalis" mit dem "Sein des Seienden ÜBERHAUPT" zu tun hatte. Mag mancher darin eine gewisse Inkonsequenz sehen, so finde ich gerade diese Spannung "reizvoll" und philosophisch fruchtbar. Denn gerade durch den systematischen Anspruch gewinnt Heideggers Pragmatismus ein besonderes Gewicht...

- - - - - -

So weit meine These. Kann damit jemand etwas anfangen? (Wobei natürlich auch Zurückweisung ein "Anfang" wäre, ein willkommener sogar.)

Gruß
Hermeneuticus


Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses, dass wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen. (Ludwig)

NietzscheIsDead Offline




Beiträge: 119

09.03.2005 18:43
#2 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Dear Sir Herm,

In Antwort auf:

Wissenschaftliches Wissen, wie es die Philosophie produziert, unterliegt nach seinen Vorstellungen anderen Anforderungen als das Wissen, das wir zum Handeln oder zum technischen Herstellen benötigen. Wissenschaftliches Wissen hat einen andere Weise der "Strenge" und Gewissheit ("Allgemeinheit", "Notwendigkeit") als praktisches Wissen, das wir benötigen, wenn wir in bestimmten Situationen etwas tun oder herstellen wollen. - Hier wird, denke ich, absehbar, dass eine "pragmatisch" ansetzende Philosophie womöglich auch gewisse Konsequenzen für ihr eigenes methodisches Vorgehen ziehen wird. Oder zumindest wird ihr Selbstverständnis durch die Überlegung hindurchgehen müssen, welche Anforderungen sie an ihr Reflexionswissen stellt: Ist es ein "praktisches Wissen" (wenn doch auch das Philosophieren eine Praxis ist und daher situationsbedingt und -bezogen) oder muss es dennoch den strengen Anfordungen an Systematizität und Allgemeingültigkeit genügen, die man seit alters dem "theoretischen" Wissen zuordnet?

When I am attending lectures I had no doubt that many of Heidegger's insights are profound and enduring, capable of indefinite further development and enrichment in areas of knowledge usually remote from philosophy." To discuss meaningfully Heidegger's way of thinking we have to strip ourselves of our own habitual ways of thinking?That is, if we think conceptually and representationally ourselves, we will never be able to understand Heidegger's strict or meditative thinking. Well I have my problems according strict thinking somehow, so I am apologizing thoroughly.What is this strict thinking of Heidegger? I was told by a former lecturer, it is to think back to the origin in order to reach behind "usual and traditional conceptions," and to "gain astonishing insights into what has not been thought hitherto." So that what Heidegger is aiming at in his endeavor to think the simple in its origin, to think behind the beginning, is at once an intensity and equanimity which opens to things as they are.

so take care

NID

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"Is not all life the struggle of experience, naked, unarmed, timid but immortal, against generalised thought?" (W.B.Yeats)

TemporarySilent Offline




Beiträge: 231

10.03.2005 11:35
#3 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten


Lieber Hermeneuticus,
ich freue mich, dass du die Herausforderung annimmst, uns Sein und Zeit ein wenig näher zu bringen.Ich vermag nur für mich zu sprechen, und muß gestehen, dass ich selbst blutiger Laie bin, und Heideggers Sein und Zeit noch nicht gelesen habe.Es bedarf einer gewissen Gewöhnung, sich in seine Sprachlichkeit einzufinden.Folgende Begriffe vermag ich jetzt nur ansatzweise zu verorten, u.a. Existential, Zuhandenes, Mitsein. Dazwischen erscheint in meinem Kopf immer dieselbe Frage:

Was bedeutet Dasein als Mitsein

Soweit ich in diverser Literatur fündiggeworden bin geht es um die Intersubjektivitätsproblematik. Diese kenne ich aus der Phänomenologie von Alfred Schütz also aus eher soziologischer Perspektive. Ich weiß nicht und bin auch ziemlich verloren inwiefern meine Lesart richtig im Sinne von allgemein gültig ist.In der philosophischen Variante der Phänomenologie scheint es

a.) bei Husserl um Intersubjektivitätsprobleme als Probleme des Selbstbewußtseins zu gehen ...
b.)Heidegger (als Husserls Schüler) scheint einen sehr eigenen Weg zur Phänomenologie zu finden.Es zeichnet sich soetwas wie eine Tendenz ab, daß der "Andere" in seiner Sprache überhaupt nicht denkbar erscheint.<<

Diesen Ansatz kann ich überhaupt noch nicht sprachlich artikulieren und ich bin mir durchaus im Klaren darüber, dass er schwammig ist. ( ich überlebe gerade im sprachlichen Dschungel, von Existential, Zeug, Mitsein etc...)
Ich lese gerade § 9...(absolute beginners...)

Vielleicht ist meine Frage ein wenig kühn...in einschlägiger Literatur wird Heidegger´s "Sein und Zeit" als Fundamentalontologie bezeichnet - und mir fällt es sehr schwer ,deine These nachzuvollziehen.Ich würde mich wirklich freuen , wenn du sie vielleicht (nicht nur) mir erläutern könntest..

Lieber Gruß
Temp=)

¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯
A brave man once requested me
to answer questions that are key
is it to be or not to be
and I replied:"so why ask me?"
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BlueHorizon Offline




Beiträge: 80

12.03.2005 06:48
#4 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Dear Sir Herm , dear Temp

In Antwort auf:

Diesen Ansatz kann ich überhaupt noch nicht sprachlich artikulieren und ich bin mir durchaus im Klaren darüber, dass er schwammig ist. ( ich überlebe gerade im sprachlichen Dschungel, von Existential, Zeug, Mitsein etc...)
Ich lese gerade § 9...(absolute beginners...)

Don´t worry too much, Temp .I am as well a Newbie to different philosophical phenomena. And Heideggerian language isn´t easy to understand.Afaik we should start from the beginning.


The to be (Being) is himself (the name of God is “I am That I am” — cf. Exodus 3,14) and is no other entity different from itself, although any entity is. As he is not a being, none of these can be compared to him, but he is comprising every one (as archetype of archetypes) while being at the same time beyond all. The to be we call potential, and is we call dynamics. The fusion of the two is God: Whole, Fundamental and Absolute;
The Holy Trinity: the Neutral plus Duality.
In heideggerian language, we can differentiate between the very problem of existence of the to be and the being of existence. We may say that to be is because the existence of the last is comprised in to be (being both in potential and in dynamics) and subordinated to him. Heidegger starts Being and time by asking on the existence of the to be by researching at first the impossibilities of this existence as a being and affirming the explicit reconsideration of the question about him.
We remark that the to be meets us in a form of a problem (if we are not also prophets to palpate him somehow in a dynamics).

Regards

Blue
The existence of truth only becomes an issue when another sort of truth is in question. (R.Rorty)

DunsScotus Offline




Beiträge: 80

14.03.2005 10:45
#5 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Lieber Hermeneuticus,

ich versuche einmal eine Antwort/Frage an dich zu formulieren und hoffe dabei ehrlich nicht ins "Gerede" abzudriften. ;-)

Skeptisch bin ich bei der Formulierung "TRANSZENDENTAL-PRAGMATISCH[E] ANTHROPOLOGIE". Sicher, eine transzendentale Erkenntnistheorie führt selber wieder zu Erkenntnissen, nämlich zu jenen über die Bedingungen von Erkenntnis überhaupt. Manche sprechen in diesem Fall auch von einem Verlust an Naivität. Wie aber ist das mit einer transzendentalen Reflexion über die Praxis (handeln = umgehen), die rechtfertigen kann das dies dann als Pragmatismus bezeichnet werden darf? Sicher M.H´s Analyse führt, ähnlich wie bei einer Reflexion über die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis, zu einer Erkenntnis über die Bedingungen menschlichen Handelns, für M.H. die grundlegende Art und Weise des Daseins. Aber was gewinne ich daraus für eine Praxis?

Meine Behauptung lautet: Aus Heideggers Analysen folgt konkret NICHTS. Und zwar NICHTS für die Analyse bzw. die Art und Weise der Reflexion über den Menschen und nichts für jedwede Praxis. Es wird zwar aufgezeigt was nicht mehr gilt, zB. die Sicht auf das menschliche Bewusstsein das sich aus sich selbst heraus operiert, oder das vom Sein bestimmt wird oder das das Sein bestimmt. Statt dessen wird gezeigt das Erkennen und Handeln aufeinander bezogen sind und sich je gegenseitig konstituieren. Es wird gezeigt das wir bei den Dingen wohnen und das sie uns erst durch eine “Störung der Verweisung“ überhaupt “ins“ Bewusstsein kommen, also dann wenn irgendetwas nicht passt, nicht funktioniert oder fehlt. Dann verlieren die Dinge ihre ontische Unschuld und rücken vom Rand des Gesichtsfeldes, wo wir sie nur schielend und en passant streifen, ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Die Destruktion der Metaphysik tut ihren ersten Schritt damit, darauf hinzuweisen, das sie blind war für die nächste Nähe des Nahen und damit blind für die “Sorgestruktur" des Daseins.

Aber, weil das ja alles immer schon so ist und wir immer schon so und so damit umgehen, und weil dies lediglich festgestellt wird, kann daraus überhaupt kein Mehrwert gewonnen werden. Der Mehrwert ist sozusagen auch schon immer da, bei unserem Umgang mit den Dingen.
Es folgt daraus NICHTS. Diese Behauptung wird gestärkt durch das was Heidegger, Jahrzehnte nach SuZ in seinem Brief an Jean Beaufret (1954) schreibt:

“Es muss nämlich gefragt werden: wenn das Denken, die Wahrheit des Seins bedenkend, das Wesen der Humanitas als Ek-sistenz aus deren Zugehörigkeit zum Sein bestimmt, bleibt dann dieses Denken nur ein theoretisches Vorstellen vom Sein und vom Menschen, oder lassen sich aus solcher Erkenntnis zugleich Anweisungen für das tätige Leben entnehmen und diesem an die Hand geben?
Die Antwort lautet: dieses Denken ist weder theoretisch noch praktisch. Es ereignet sich vor dieser Unterscheidung. Dieses Denken ist, insofern es ist, das Andenken an das Sein und nichts außerdem.“
“Und nichts außerdem“. Dies unterminiert jeden Versuch es praktissch zu wenden.

Grüße
Duns

Metaphysiker Offline




Beiträge: 43

15.03.2005 05:46
#6 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Die Beschwörung der Abstammung, einer gemeinsamen Geschichte, die sich als eherne Schicksals- und Charaktergemeinschaft konstruiert, ist eine Grundlage des Nationalismus. „Edel ist, was Herkunft hat“, sagt Martin Heidegger. Und fügt sogleich an: „Nicht nur sie hat, sondern in der Herkunft seines Wesens weilt.“
Herkunft als Zukunft? – gibt es ein reaktionäreres Konzept? „Das schicksalhafte seiner Verhaftung an das überkommene Erbe.“Propagiert wird die Gefangenschaft des Blutes („Verhaftung“, „Erbe“), aus der es kein Entkommen gibt(„schicksalhaftes Geschick“), was zählt, ist der Kreislauf („Wiederholung“), ihm gilt die Fügung als Bejahung („kann erschlossen werden“). Konstruiert wird eine eherne Verhaftetheit, ein völkischer Käfig. Bestimmung wird zur Abstammung. Der Mensch „wird an den Felsen seiner Vergangenheit festgeschmiedet.“(Adorno)
Mitgehangen-mitgefangen, so könnte man Heideggers Formulierung pointiert fassen. Ausdrücklich wird der „Heimat für alles, was sie mir auf einen langen Weg mitgegeben hat“, gedankt, und das
Mitgegebene „Mitgift“genannt. Wahrlich, das Subjekt ist das von der Heimat mit Gift Beladene. Philosophisch elaboriert liest sich das so: „Wenn aber das schicksalshafte Dasein als In-der-Welt-sein wesenhaft im Mitsein mit Anderen existiert, ist sein Geschehen ein Mitgeschehen und bestimmt als Geschick. Damit bezeichnen wir das Geschehen der Gemeinschaft, des Volkes. Das Geschick setzt sich nicht aus einzelnen Schicksalen zusammen, sowenigvals das Miteinandersein als ein Zusammenvorkommen mehrerer Subjekte begriffen werden kann. Im Miteinander in derselben Welt und in der Entschlossenheit für bestimmte Möglichkeiten sind die Schicksale im vorhinein schon geleitet. In der Mitteilung und im Kampf wird die Macht des Geschickes erst frei. Das schicksalhafte Geschick des Daseins in und mit seiner ‚Generation’, macht das volle, eigentliche Geschehen des Daseins aus.“
Das auserwählte Volk („Mitteilung“) zieht in den Krieg („Kampf“), um sich („Macht des Geschickes“) durchzusetzen. Krieg macht frei.Wahrlich, ein geschicktes Volk, dessen Schickung sich als Heimsuchung anschickt, wird es ausgeschickt.Von einem obligaten Mitsein mit Anderen schließt Heidegger zielsicher auf eine bestimmte Gemeinschaft, die er nur im Volk sehen kann. Das Geschick hat das Volk geschickt. In einer Generation der Volksgenossen (die Zeitgenossen wie Raumgenossen zu sein haben) vollzieht sich das Schicksal an seinen Gliedern, die nichts sind als Zellen eines Volkskörpers.
Freiheit ist Sendung, das Schicksal des Daseins durch Anerkennung nationaler Pflicht. Soviel Dasein läßt einen an die Flucht, an das Fortsein denken. Erst als Heidegger 1943, wohl unter dem Eindruck der sich abzeichnenden Niederlage Nazi-Deutschlands, zugeben mußte: „Mit dem Sein wird es nichts“, konnte man durchatmen.

bis demnächst,
Metaphysiker

BlueHorizon Offline




Beiträge: 80

15.03.2005 15:58
#7 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

In Antwort auf:

Das auserwählte Volk („Mitteilung“) zieht in den Krieg („Kampf“), um sich („Macht des Geschickes“) durchzusetzen. Krieg macht frei.Wahrlich, ein geschicktes Volk, dessen Schickung sich als Heimsuchung anschickt, wird es ausgeschickt.Von einem obligaten Mitsein mit Anderen schließt Heidegger zielsicher auf eine bestimmte Gemeinschaft, die er nur im Volk sehen kann. Das Geschick hat das Volk geschickt. In einer Generation der Volksgenossen (die Zeitgenossen wie Raumgenossen zu sein haben) vollzieht sich das Schicksal an seinen Gliedern, die nichts sind als Zellen eines Volkskörpers.
Freiheit ist Sendung, das Schicksal des Daseins durch Anerkennung nationaler Pflicht. Soviel Dasein läßt einen an die Flucht, an das Fortsein denken. Erst als Heidegger 1943, wohl unter dem Eindruck der sich abzeichnenden Niederlage Nazi-Deutschlands, zugeben mußte: „Mit dem Sein wird es nichts“, konnte man durchatmen.

Heidegger had already been called to task by the Nazi party for his excessive zeal in reorganising the university, and was dangerously allied with the Goering/Strasser wing of the party that had lost out in the night of the long knives. But with the Allied victory, he had become an outlaw in his own home town of Messkirch, disgraced, denied the use even of his library, pending the outcome of the denazification hearings.

When Heidegger called in favours from the many students he had taught it was a roll-call of the emigre European intelligentsia: Herbert Marcuse, Jean-Paul Sartre, Karl Jaspers and the new star Hannah Arendt. It was a testament to his teachings that they still inspired a generation of intellectuals, despite his political disgrace. But much as he was admired for his philosophy, none could stomach his active support of the regime, and, even though Jaspers and Marcuse were TEMPted(lol Lady still playing it according to the rules?) to speak up in his favour, Heidegger’s unwillingness to apologise for his past sickened them all. All but one: Hannah.


regards
Blue
The existence of truth only becomes an issue when another sort of truth is in question. (R.Rorty)

Metaphysiker Offline




Beiträge: 43

17.03.2005 12:41
#8 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Guten Tag, BlueHorizon
Sloterdijk ruft in seiner berüchtigten Elmauer Rede über Humanismus und Menschenzüchtung drei philosophische Kronzeugen auf: Heidegger, Nietzsche und Platon, und bringt das Kunststück fertig, alle drei dabei zu diskreditieren. Seine (vielleicht gespielte) Bewunderung für die zentralen Schwächen seiner Leitfiguren scheint so groß zu sein, dass er ihre Lächerlichkeit aufdeckt, ohne sie zu sehen.

Martin Heidegger ist also der erste. Sloterdijk zitiert dessen Brief »Über den Humanismus«, den er 1946, ein Jahr nach der Zerschlagung seines Heimatstaates, an den jungen französischen Kollegen Jean Beaufret schrieb. Heidegger sprach sich dafür aus, das Wort Humanismus abzuschaffen. Wozu noch den Menschen anpreisen, wenn »die Katastrophe der Gegenwart gezeigt hat, dass der Mensch selbst ... das Problem ist?« So fragte Heidegger (nach Sloterdijk) und prangerte Christentum, Marxismus und Existenzialismus als drei Spielarten des Humanismus an, die alle vor dem zentralen Problem des Menschen kniffen. Etwas später sind es Bolschewismus, Faschismus und Amerikanismus, die er als »drei Kandidaturen für eine humanitär verbrämte Weltherrschaft« dingfest machte, wobei es Heidegger allerdings argumentativ erhebliche Mühe kostete, seinen einstmals geliebten Faschismus in die humanitäre Phalanx einzureihen. Diesen ausgelassen, führte Heidegger seine alten faschistischen Frontlinien fort. »Rußland und Amerika sind beide, metaphysisch gesehen, dasselbe: dieselbe trostlose Raserei der entfesselten Technik...«, hatte er 1935 doziert (Einführung in die Metaphysik, S. 28). Das Christentum hatte sein großes Vorbild Nietzsche schon unter die Verderber des Menschengeschlechts gezählt, und »Amerika« war in der Lingua Tertii Imperii ein Synonym für »Plutokratie« und »internationales Judentum«.

Was war nun das zentrale Problem des Menschen, das Heidegger in seiner Tiefe als einziger erkannt hatte? Das war natürlich die schon in den 20er Jahren von ihm diagnostizierte »Seinsvergessenheit« des Menschen, seine Fixierung auf das »Seiende« (also das Materielle), seine Ignoranz für das »Sein« – also das innere, geistige Wesen der Welt, das nach Heideggers Worten in Form der Sprache dem Menschen begegnete: »Die Sprache ist das Haus des Seins, darin wohnend der Mensch existiert.«
Sloterdijk sieht ihn als »zornigen Engel mit gekreuzten Schwertern zwischen das Tier und den Menschen« treten, denn »der Mensch hat Welt und ist in der Welt, während Gewächs und Getier nur in ihre jeweiligen Umwelten verspannt sind.« Das alles war so neu und originell nicht: Bei Marx und Engels hieß es, dass der Mensch sich durch Arbeit die Welt aneignet (– also dann hat), und im Alten Testament sagte Gott zu den Menschen: »Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan...« (1. Mose 1, 28). Auch der Auftrag, den Heidegger dem Menschen erteilt: das Sein zu hüten und – als »Hirte des Seins« – dem Sein zu entsprechen, erinnert stark an den Auftrag, den Gott nach Auffassung vieler Theologen den Menschen erteilte: die Schöpfung zu achten und zu bewahren. Dass schließlich ausgerechnet die Sprache im Heidegger-Dreieck den Menschen mit dem Sein verwinkelt, das wurde anderswo schon kürzer ausgedrückt: Im Anfang war das Wort.. Diese »Pastorale« ist nicht »kryptokatholisch«, wie Sloterdijk nebenher zugesteht, sondern schlicht katholisch-pastoral.
Was soll er nun tun, der Mensch, anstatt sich selbst in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen zu stellen? Er soll stille sein, abwarten und darauf lauschen, was das Sein ihm aufträgt. Sloterdijk vergleicht diesen Ansatz mit dem alten Motiv der antiken Humanisten, den Menschen durch Lektüre mit anderen Menschen zu befreunden:
»Heidegger will einen Menschen, der höriger wäre als ein bloßer guter Leser.« Höriger? Drei Sätze weiter kommt die Auflösung: Wenn das Publikum das Sein – trotz braven Lauschens – schon nicht direkt sprechen hört, dann solle es doch einsehen, »daß das Sein selbst durch ihn [Heidegger], den Mentor der Seinsfrage, von neuem zu reden begonnen hat.« Sloterdijk vergaß also, in den Satz darüber das Wörtchen »ihn« einzusetzen: »Heidegger will einen Menschen, der ihm höriger wäre als ein bloßer guter Leser.«

Nun, wer will einen solchen Wunsch einem Manne verdenken, der es gewohnt war, seiner dunklen, geheimnisvollen Sätze und merkwürdigen Wortschöpfungen wegen tief verehrt zu werden, und der gerade unsicheren Zeiten entgegensah? Sein geliebtes, weil ihn verehrendes Deutschland hatte den Krieg gegen den Rest der Menschheit begonnen und verloren, und er lief Gefahr, das Schicksal derjenigen Kollegen nachzuholen, die er als Rektor der Universität Freiburg in Acht und Bann getan hatte. Warum aber Sloterdijk 53 Jahre später die »unsichtbare Kirche« dieses selbst ernannten Papstes wiederauferstehen lassen muss? Ausgerechnet Heidegger, den eingeschworenen Feind jeglicher Anthropologie und jeglicher Technik zum Kronzeugen der »Anthropotechnik« zu machen, dazu gehört – gelinde gesagt – Chuzpe.

bis demnächst,
Metaphysiker

DunsScotus Offline




Beiträge: 80

17.03.2005 17:58
#9 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Lieber Metaphysiker,

ist Heidegger der erste Philosoph der sich, schreibend und denkend, restlos selber verstanden hat? Ich schätze, nein! Gab es je einen solchen Philosophen oder Menschen? Ich schätze, nein! Passiert es oft, das man aus richtigen Analysen falsche Schlüsse zieht? Ich schätze das passiert sehr oft! Kann man den Analysen Heideggers, der ein Nazi war, folgen und sie als großartig ansehen ohne damit selber automatisch zum Nazi zu werden? Ich behaupte, ja!, das kann man, wenn man genau liest und versteht!

Emanuell Levinas, der Jude aus Kaunas in Littauen, in Paris lebend, der 1940 in Kriegsgefangenschaft gerät -seine Eltern werden von Nazischergen bei sog. Säuberungen brutal ermordet- sagt sinngemäß über Heidegger; er sei der größte Philosoph des 20ten Jahrhunderts, aber er sei ein Nazi und ein Nihilist. Können wir diese Ambivalenz aushalten? Das eine sehen UND das andere, ohne die Möglichkeit zu verlieren zu sehen was wohl an Heidegger "das Große" war? Wenn das Levinas gelungen ist, kann uns das auch gelingen.

Was, wenn der Hermeneut Heidegger, der jedes literarisch/poetisch/philosophische Werk, ohne viel federlesen, durch seine Brille betrachtet hat, dabei diese Lesart als die einzig wahre behauptend (weil er als Entdecker der 'Seinsvergessenheit' überhaupt erst den Kontext aller Kontexte glaubte zu liefern), wenn also dieser Umdeuter alles Deutbaren (Hölderlin, Rilke, Nietzsche) selber dekonstruierbar wird, wie es Derrida mit Heideggers Texten bereits vorgemacht hat?

Ist es da nicht auch denkbar, das Sloterdijk Theoriefragmente (zb. Raumtheorie) in der Spur der Texte Heideggers findet, die diesem selber a) nicht auffielen oder b) gegen die eigene politisch/historische Ideologie gingen. Heideggers Argumentation gegen die Absolutsetzung des Biologismus, gegen jede Naturalisierung des "Humanum des Homo Humanus" ist nach wie vor ein Problem das angesichts der Genom-Projekte, der kybernetisch/technischen Schöpfungsphantasien und der Vorstellung des Menschen als neuronaler Biomasse akut ist. Man schaue einmal in die 'Trauma-Fabrik Hollywood' um zu kapieren welcher Albdruck dort Regie führt. Es ist in meinen Augen absolut berechtigt wenn Sloterdijk Heidegger hier in aktuelle Kontexte setzt. Wie er ihn deutet und ob das passt, ist noch eine ganz andere Frage.

Grüße
Duns

DunsScotus Offline




Beiträge: 80

18.03.2005 16:22
#10 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Anhang

"Man stelle sich die Verheerung dieses Tempelbezirkes vor,
den ein Mensch in sich trägt, wenn er eine Weile gelebt hat.
Kein Archäologe könnte zu einer vernünftigen Auffassung
der Anlage kommen." (Elias Canetti)

Hermeneuticus Offline



Beiträge: 8

18.03.2005 22:11
#11 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Hallo Metaphysiker,

darf ich nach dem Zusammenhang Deiner (politisch völlig korrekten) Ausführungen mit dem Thema der Diskussion fragen? Den sehe ich nämlich nicht.

Ich frage mich auch nach dem Zweck Deiner Tiraden. Was mich betrifft, ich habe ein klares Urteil über Heideggers politische Verstrickungen und die ideologischen Implikationen eines großen Teils seiner Schriften. Aber das hindert mich nicht, SuZ (und einige andere seiner Werke vor der "Kehre") ausgesprochen tiefsinnig, ja genial zu finden. Heidegger ist in meinen Augen ein großer Philosoph. Und ALS dieser Philosoph interessiert er mich hier.

Außerdem halte ich es für ein hermeneutisch zweifelhaftes und intellektuell unterbelichtetes Verfahren, Autoren einem politischen Sammelurteil (z.B. "reaktionär") zu subsumieren und sie damit als ganze für "erledigt" zu halten. Für solche Pauschalierungen sind Ideologen, Demagogen und Parteipolitker zuständig. Die (aufklärerische) Aufgabe des Intellektuellen sehe ich in der Differenzierung.

Mir sind schon oft Menschen vom Schlage des "Anhängers" untergekommen, die in ihrer persönlichen Bindung an einen großen Autor dann nicht mehr zu solcher Differenzierung fähig sind. Sie fühlen sich immer gleich persönlich mit angegriffen, wenn jemand "ihren" Autor kritisiert. Und natürlich sind die Feinde ihrer Idole immer auch ihre eigenen Feinde. Motto: Haust du meinen Heidegger, spucke ich auf deinen Bloch. Mir ist das schwer verständlich, denn für mich schließen Liebe, Verehrung und kritische Differenzierung einander nicht aus (auch nicht im "wirklichen Leben").

Der "Mensch" Heidegger, so weit ich ihn aus seinen Schriften bzw. Schriften über ihn kenne, ist mir ausgesprochen unsympathisch. Und vieles von seinen Schriften ödet mich geradezu an (z.B. "Vom Ereignis", das halte ich persönlich für Schrott). Aber das gilt eben nicht für alles. Er hat ganz großartige philosphische Texte geschrieben, ungewöhnlich klar und scharfsinnig, intensiv, dicht - ich komme nicht umhin, das anzuerkennen.

Ich will damit bekräftigen: Ich habe kein Bedürfnis, Heidegger vor politischer Kritik in Schutz zu nehmen. Ich übe sie selbst. Was ich dagegen ablehne, ist der Versuch, den Philosophen Heidegger aus politischen Gründen zu erledigen oder zu tabuisieren. Hier bitte ich doch um Differenzierung. Sie ist möglich. Man kann SuZ (und so einiges andere von Heidegger) lesen, ohne sich dadurch ideologisch mit NS zu infizieren.

Gruß
H.


BlueHorizon Offline




Beiträge: 80

19.03.2005 10:18
#12 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Hiya Duns

In Antwort auf:
Ist es da nicht auch denkbar, das Sloterdijk Theoriefragmente (zb. Raumtheorie) in der Spur der Texte Heideggers findet, die diesem selber a) nicht auffielen oder b) gegen die eigene politisch/historische Ideologie gingen. Heideggers Argumentation gegen die Absolutsetzung des Biologismus, gegen jede Naturalisierung des "Humanum des Homo Humanus" ist nach wie vor ein Problem das angesichts der Genom-Projekte, der kybernetisch/technischen Schöpfungsphantasien und der Vorstellung des Menschen als neuronaler Biomasse akut ist.

Philosophy, however, went where science wouldn’t, especially in relation to the concept of Being. In Being and Time Heidegger suggests that reality transcends consciousness by entering “the sphere of the real”,an idea that we can see mirrored in Slavoj Zizek’s Desert of the Real. The merging of notions that a sphere existed as an object as well as a concept or model was already in the air in the 1940s when Karl Jaspers,echoing Heidegger, stated that “every being seems in itself round”. It is this type of thinking that allows abstractions such as ‘spheres of influence’or ‘the social sphere’ to seem perfectly normal to us today; and this critical thought recovers some of the pre-modern idea of the sphere as “the key to everything”, to quote Sacrobosco.SPHERE may be a speculative foray into the Sloterdijk’s world of Spherology, but it is also meant to raise questions about how humans choose, and overlook, subjects in art and in science. Spheres, as a separate subject, have been outside the current paradigms in both areas, taken for granted, perhaps, as part of the background noise of the universe.
It could be proposed, for instance, that the history of ideas itself,as a ‘working around the subject of knowledge’, can be seen as a spherical entity in which the accumulation of information enlarges the size
of the bubble of knowledge.
For Sloterdijk the surface of the sphere,the shell, with its rind, or its skin, is as rich with potential meaning as the existence of the sphere itself.


regards

Blue
The existence of truth only becomes an issue when another sort of truth is in question. (R.Rorty)

Schnitzeltaler Offline



Beiträge: 1

05.07.2005 00:17
#13 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Hallo, gerade eben habe ich die Überlegungen nach denen es sich bei Hs. Existenzialontologie gewissermaßen um einen Klassiker des transzendentalen Pragmatismus handeln solle, gelesen. Und ich muß sagen, ich war zunächst perplex, denn auf diesen Gedanken war ich bisher noch nicht gekommen. Die vulgär-transzendentale Frage fragt ja nach Bedingungen für Möglichkeiten und der Pragmatismus kommt hinzu, wenn man sich diese Frage einfach einmal stellt, derart, was denn die Bedingung der Möglichkeit für z.B. mein Hiersein wohl ist.
Das Stellen einer solchen Frage ist ja bekanntlich bereits eine Handlung, eben pragma.
Nun ist es ja hinlänglich bekannt, dass H. auf's Neue die Frage nach dem Sein gestellt wissen will und anhebt sie endgültig klar zu stellen. Dazu betreibt er einigen Aufwand und kommt doch zu keinem abschließend befriedigendem Ergebnis. Oberflächlich würde ich nun sagen, dass in der Tat zutrifft, was hier behauptet wird, denn H. stellt sich ja, indem er eine alte Frage neu aufwirft und verknüpft gewissen methodischen Anforderungen, die er aus einleuchtenden Gründen nicht hintergehen kann. Nicht hintergehbar in diesem Sinne wäre es doch z.B., dass er gewissen Standards der Argumentation nachfolgen muß und dass diesen Standards eine gewisse Eigenheit zugrundeliegt, die ich einmal die Sprache nennen will. Es ist schwer zu bestreiten, dass man fürgewöhnlich mittels und in einer Sprache argumentiert. Ohne Sprache keine Argumentation. Einfach anthropologisch betrachtet, ist die Tatsache, dass Menschen über Sprache verfügen ein ausgenommen sicherer Sachverhalt. H. argumentiert und dieses Argumentieren, ereignet innerhalb der Sprache. Die Bedingung der Möglichkeit für Hs. Argumentieren ist somit die Sprache und eine bestimmte Verwendung der Sprache – etwas strapaziös könnte man auch von einem besonderen Sprachspiel Hs. reden. Dass er diese Sprache verwendet, dass er dieses Spiel spielt, ist nicht hintergehbar, es handelt sich um so etwas wie eine transzendentale Bedingung, die erfüllt sein muß, für die Möglichkeit überhaupt argumentieren zu können.
Die Konsequenz aus dem ganzen Zeug wäre doch, dass es sich bei Heideggers SuZ unter diesem methodischen Aspekt durchaus um einen Klassiker des anthropologischen Pragmatismus handeln kann oder eben leicht gewendet, um eine pragmatische Anthropologie mit einigen tranzendentalen Aspekten.

Soweit mein erster Beitrag an diesem Ort und angemerkt sei, dass meine Intuitionen in dieser Sache eher äußerlicher Art sind und keineswegs besonders ausgereift, vermutlich sind sie sogar trivial, aber mehr ist mir zunächst nicht eingefallen.

ST

DunsScotus Offline




Beiträge: 80

11.07.2005 23:32
#14 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Lieber Schnitzeltaler,

leider ist dies hier einer der vielen verlassenen Internetbahnhöfe auf deren Bahnsteig schon das dürre Gras zwischen den Platten hervorwächst und wo der Wind mit zurückgelassenen Gepäckstücken spielt. Die vielen Zettel an den Wänden und der volle Fahrplan signalisieren längst verblasste Träume von Ferne und Abenteuer. Die Gleise sind von Flugrost befallen und kein philosophischer Transport hat in der jüngeren Vergangenheit die Gleise geschliffen. Ich schaue hier ab und an vorbei, sozusagen als alter Bahnwärter mit Ölkanne und schmierigem Lappen. Es könnte glatt jener Bahnhof sein, aufdem Heidegger einst die Langeweile entdeckte, die er im Wintersemester 1929/30 zum Gegenstand seiner 'Grundlagen der Metaphysik' machte und der philosophischen Reflexion zuführte.

Ich glaube im übrigen nicht das Heidegger sich "gewissen Standards der Argumentation" unterworfen sah, wenn man darunter den Ansatz des 'linguistic turn' versteht, also den Satz als Aussage, als Grammatik und/oder als wahr/falsch. Gerade darin sah H. ein Mißverständnis der Zeitstruktur der Sprache wenn man von ihr als "Sprache haben" oder "eine Rede halten" und dann "eine Aussage machen" spricht. Folgender Satz zeigt das an: "Hören und Schweigen sind Möglichkeiten des redenden Sprechens." (S.u.Z. § 34, S. 161). Hier zeigt sich deutlich, das H. Phänomene "innerhalb" der Sprache bedenkt die in keinem linguistischen oder sprachlogischen Ansatz vorkommen, ja vielmehr sogar ausgeschlossen werden a la Wittgensteins "Schweigen".

Grüße
Duns
Πάντες ἄνθρωποι τοῦ εἰδέναι ὀρέγονται φύσει.

Nauplios Offline




Beiträge: 41

14.07.2005 20:20
#15 RE:SuZ - ein Klassiker des Pragmatismus Antworten

Ihr Lieben!

Zur Frage des verlassenen Bahnhofs habe ich in "Socializing" einen kleinen Beitrag geschrieben:

http://215493.homepagemodules.de/topic.p...79592&id=503765

Bitte schaut mal da vorbei und vielleicht habt Ihr ja Lust, Euch dort zu äußern.

Liebe Grüße

Nauplios
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"Seht ihr den Mond dort stehen? - / Er ist nur halb zu sehen / Und ist doch rund und schön!" (Matthias Claudius) [ein letztlich von Wittgenstein verworfener Mottovorschlag für seine "Philosophischen Untersuchungen".

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