symposion - das wird im Deutschen häufig ästhetisierend mit "Gastmahl" übersetzt; das etwas derbere "Trinkgelage" trifft die Sache eigentlich besser. Das, was sich zunächst wie eine illustre Abendgesellschaft anläßt, wird im Laufe der Nacht zu einem handfesten Besäufnis. Das Ganze findet statt im Frühjahr 416 v. Chr. im Hause des Tragödiendichters Agathon aus Anlaß seines ersten Tragödiensiegs. Die Rahmenerzählung weist in die Zeit um 400 v. Chr., während Plato den Dialog selber um 380 v. Chr. abfaßt. Dieser zeitlichen Verschachtelung entspricht auch eine Verschachtelung der Erzählstränge. Apollodoros wird von ein paar Bekannten gebeten, von dem besagten Trinkgelage zu erzählen; da er selbst aber nicht dabei anwesend war, stützt sich sein Bericht auf Aristodemos als Teilnehmer. In indirekter Rede gibt er dessen Erzählung wieder. Sokrates wird dann seinerseits auf eine Rede von Diotima Bezug nehmen, womit deren Ausführungen nochmals indirekt eingeschachtelt sind.
Durch diese mehrfachen Spiegelungen, durch die Erzählung in der Erzählung wird formale und kunstvolle Distanz aufgebaut. Die Einsicht in das Wesen des philosophischen Eros ergibt sich bei Plato nicht auf direktem Weg, sondern auf dem Umweg perspektivischer Brechungen. Wahrheit ist nichts unmittelbar Greifbares, sondern dem alltäglichen Leben entrückt. Die sinnlichen Erscheinung (hier: des Eros) sind wie ein Schleier, hinter dem erst die "eigentliche", die "wahre" Wirklichkeit liegt. Philosophische Erkenntnis ist so gesehen immer ein Aufstieg, eine Anabasis. Der Kunstgriff der verschachtelten Rahmenerzählung ist also nicht zufällig gewählt; er soll der Unfaßbarkeit der Wahrheit für das menschliche Auge Ausdruck verleihen. Wahrheit ist nur zu finden durch den Aufstieg (der Seele) ins zeitlos Ewige und Unsterbliche.
Die Rede der Diotima in eine Art Zusammenfassung zu bringen schien mir im ersten Moment machbar. Als ich begann eine Einleitung zu schreiben wurde mir bewusst, dass die Rede der Diotima nur im Kontext mit dem Gastmahl gesehen werden sollte.
Doch schon bei dem Versuch Verknüpfungen herzustellen um zumindest etwas erklärend zu schreiben, drohte mein Schädeldach sich vom Restkörper zu verabschieden, sollte ich auch nur in Erwägung ziehen diese Aufgabe allein zu bewältigen.
Die Zusammenfassung habt ihr euch von mir gewünscht, ich habe einen lieben Freund um Rat gefragt und das Folgende stammt von ihm aus “ Platon” zur Einführung, Barbara Zehnpfennig, Junius-Verlag.
Das Gastmahl. (Symposion)
Zusammenfassung der Rede des Sokrates
Anlässlich einer Feier im Hause des Tragödiendichters Agathon halten die Teilnehmer, darunter der Komödiendichter Aristophanes, reihum Reden über Wesen und Macht des Gottes Eros. Der Eros wird hier begriffen als eine Macht der Vermittlung zwischen Menschen und Göttern, zwischen Sterblichen und dem Unsterblichen, zwischen der vergänglichen Erscheinung und der unwandelbaren Idee. Eros waltet nicht nur über dem Streben und Sehnen in der Natur und in der menschlichen Liebe, er treibt auch das Verlangen vom sinnlich Schönen, weiter in Richtung auf „das Schöne selbst“, das heißt auf die Idee des Schönen. Das Eros ist mithin die eigentliche Triebkraft des philosophischen Strebens und umgekehrt die philosophische Ideenschau die wahre Erfüllung, die alle „Erotik“ letztlich anstrebt. Wie so oft, wenn er positive Belehrung anzubieten hat, beruft sich Sokrates auch hier auf fremde Weisheit: Das Wesen des Eros habe ihm die Seherin Diotima von Mantinea enthüllt. Wie in allen Dialogen geht auch hier Platon in der Struktur des Dreischrittes voran. Der erste Schritt ist jeweils ein unzureichender Logos, auf den, zweitens ein Angriff erfolgt, der drittens mit überlegenen Denkmitteln pariert wird. Und es entwickelt sich, in dialektischen Spiralen, jener Dialog mit Diotima, an dessen Ende der Schönheit der Seele gehuldigt wird. Was Agathon forderte, löst Sokrates ein, nämlich erst das Wesen der Liebe zu klären, bevor über ihre Wirkung gesprochen werden kann. Liebe ist Liebe zu etwas und zwar zu etwas Entbehrtem. Alles, was die Vorredner der Liebe selbst zugeschrieben hatten, ist tatsächlich das, dessen Fehlen die Liebe nur bezeugt. Da die Liebe das Schöne das Gute begehrt, kann sie nicht selber schön und gut sein. Damit ist die Grundannahme hinfällig, dass nämlich Eros ein Gott sei. Vielmehr ist er ein Dämon, ein Mittler zwischen Gott und Mensch. Gott philosophiert nicht, denn er ist weise. Ebenso philosophiert der gänzlich Unverständige, denn er weiß nichts von seinem Unverstand. Philosoph ist also, das muss man ergänzen, der wissend Nicht-Wissende. Aber noch etwas anderes ist deutlich geworden. Diejenigen, die in ihren Reden die Liebe vergöttlicht haben, als wäre sie nicht Streben, sondern bereits Erfüllung sind einer Vergötzung der eigenen Triebe erlegen. Ein solcher Liebesbezug benutzt den anderen zur Betätigung und Bestätigung des Ich, er schafft nichts über sich hinaus. Das ist beim wahren Eros anders. Die Liebe, so Diotima, begehrt im Schönen das Gute und zwar auf Dauer. Dauer zu erlangen ist dem Menschen aber nur in vermittelter Weise möglich, durch Zeugung. Zu dieser, sei sie körperliche, sei sie geistige Erzeugung, gibt Schönheit den Anreiz. Nicht die Schönheit wird in der Liebe letztlich begehrt, sondern das, wozu sie anregt: die Hervorbringung des Guten. Was das Gute ist, wird je nach Interessenlage definiert – das Fortleben in den Kindern, der Nachruhm, das geistige Erzeugnis Diotima aber lässt keinen Zweifel daran, welches dieser Ziele den höchsten Rang einnimmt. Der Erotiker, dessen Zeugungslust Tugend hervorbringt, hat das höchste Gut verwirklicht, vor allem, wenn er im Privaten wie Politischen zu Gerechtigkeit und Besonnenheit gefunden hat.
Text Grüße Euch und herzlichen Dank an Dich Angelia für die rezensierende Kurzzusammenfassung
also je öfter ich das Symposium lese, um so mehr gelange ich zu der Überzeugung,dass es sich um eine Zusammenkunft selbstherrlicher sich rechtfertigender älterer Männer handelt.
Wieso das? also
wie schon so schön zusammengefasst wurde denkt Sokrates so:
" Diejenigen, die in ihren Reden die Liebe vergöttlicht haben, als wäre sie nicht Streben, sondern bereits Erfüllung sind einer Vergötzung der eigenen Triebe erlegen. Ein solcher Liebesbezug benutzt den anderen zur Betätigung und Bestätigung des Ich, er schafft nichts über sich hinaus. "
Er meint also allen Ernstes dass die Liebesempfindung das Begehren nach Gutem sei und in etwas Dauerhaftem enden solle,dieses zeugen solle, sei es das Fortleben in eigenen Kindern oder ein anderes schöpferisches Werk. Ist dies nicht eine maßlosere Bestätigungssuche des eigenen Ich? Ein Streben nach Unsterblichkeit, Einmaligkeit?
Gleichzeitig, wird dies nur den Philosophen zuteil und es gibt nach Sokrates ganz eindeutig Unwissende die nicht des Philosphierens fähig seien, da sie so dumm wären, nichts von ihrer Unwissenheit zu wissen, dabei weiß doch ein jeder, dass alle Menschen,sofern sie des Denkens ansatzweise fähig sind und nicht an starkem Schwachsinn leiden, philosophische Fragen und Tiefgründigkeit besitzen, jedes Kind im Alter von vier oder fünf Jahren forscht sehr tiefgründig und stellt sich die Frage nach dem Sinn seines Seins, seiner Endlichkeit und der Frage wo es vor seiner Geburt , bzw. Zeugung gewesen sei.
Ich habe selten arroganteres Männergerede gelesen oder gehört. Oh ja das Streben nach Tugend, das ist so ein schöner Begriff der immer wieder herangezogen wurde, um alles menschliche Begehren in einer Verklärtheit zu rechtfertigen. Es muss sinngebend sein und ein Ziel verfolgen alles was der Mensch in seinem Leben tut, auch die Liebe und Erotik werden hier in einer anderen Rechtfertigungssphäre überhöht.
Kann es nicht sein, dass die Dinge einfach und schlicht sind wie sie sind? Die Sinnlichkeit und Erotik ihren Zweck in dem Genusse des Lustgefühles haben? Ist das Genießenkönnen, der eigenen Lust und die Freude am Erleben der Lust des Partners nicht als solches schon Sinnn genug?
So wie die körperliche Liebe so sind alle anderen Liebschaften, seien sie musisch künstlerisch oder auf den Erfolg parktischer Arbeiten oder Hobbies gerichtet schon sinngebend aus der Tatsache heraus, dass sie den Liebenden befriedigen und bestätigen und vieleicht sogar, aber nicht notwendigerweise, andere auch noch beglücken und teilhaben lassen?
Eine dauerhafte Unsterblichkeit das Streben nach Tugend und Vollendung..nun ja ich finde dies ist Heuchelei und Rechtfertigung für den Lebensgenuss, lasst uns die Dinge beim Namen nennen..
Nun genießerisch eine qualme und hoffe Euch nicht zu sehr erschreckt zu haben mit meinem profanen Ansichten
Du gelangst zu der Überzeugung, dass es sich beim Gastmahl um eine Zusammenkunft selbstherrlicher älterer Männer handelt, die sich rechtfertigen.
Ich finde das ganz interessant unter dem Aspekt, dass Eros ja zunächst als Gott gehuldigt werden sollte da, Apollodoros einem Freund erzählte, dass in einem Gespräch Eryximachos Freund Phaidros sich schon zum X - ten Mal darüber beklagte, dass über alle Götter Loblieder gesungen und Verse verfasst wurden nur über Eros nicht.
Der eigene Sexualtrieb als Gott Eros verherrlicht und im Rahmen der epochalen Geschichtenbildung des Gastmahls gerechtfertigt?
Sokrates brachte als einziger, sich außer Stande sehend ebenfalls ein Loblied auf den Eros zu verfassen, eine feminine Sichtweise ins Spiel.
Interessant ist auch, dass es keinen geschichtlichen realen Hinweis darauf gibt, dass Diotima wirklich existiert hat.
Wie kam Sokrates als Mann zu einer weiblichen Sichtweise? Nun wissen wir, dass er mit Xanthippe verheiratet war, die zwar schön aber nicht auf den Mund gefallen war und laut Überlieferungen ihrem Mann sehr oft ziemlich auf die Nerven gegangen sein soll. Ob er aber gerade durch die Diskurse mit ihr eine andere Sichtweise erlangte? Welcher Mann bleibt auf Gedeih und Verderb mit einer Frau zusammen, die zwar schön ist, ihn aber nicht nur nervt, sondern ihn vor seinen Schülern noch schlecht aussehen lässt, indem sie ihn öffentlich zu Schnecke macht? Er musste sie geliebt haben. Kann es ihre Schönheit allein gewesen sein? Es gab sicher noch andere schöne Frauen. Es muss da noch mehr gewesen sein. Etwas, dass über das rein triebhafte und dem Wunsch sich in der Zeugung von Kindern einen Teil Unsterblichkeit zu sichern hinaus ging. Dies nun schildert er in seinem Vortrag indem er Diotima sprechen lässt? Könnte es so gewesen sein?
Ich fürchte, wir werden uns in philosophische Tiefen begeben müssen, das Gastmahl aufdröseln um irgendwie dahinter zu kommen was das Wesen des Eros und der Liebe ist.
Und ob der Genuss rein körperlicher Liebe und die Befriedigung der Triebe tatsächlich Liebe ist, wage ich zu bestreiten. Du erschreckst nicht Harmony, du inspirierst.
ein Tipp aus gerade gemachter Erfahrung, bevor ihr auf Voransicht oder Speichern eines verfassten Beitrages geht,speichert Eure Eingaben in einer Zwischenablage..girns,
also ich versuche ein zweites Mal zu replizieren..
Liebe Angelia, Ihr Lieben,
in der Tat die Liebe auf die körperliche Sinnlichkeit zu reduzieren ist auch mir nicht weitgehend genug, es ist eine Möglichkeit unter vielen.
Was ich meinte ist, dass weder die Vorredner noch Sokrates unter Einbezug der Diomita bei der Liebe und Erotik von alturistischen Motiven oder einer Liebe, um des anderen Menschen willen ausgehen, sondern ihre Liebschaften mit einem höheren Sinn und Ziel rechtfertigen.
Schon bei den ersten Reden stieß mir auf, dass zwischen Liebhabern und Geliebten unterschieden wurde. Es besteht also ein Gefälle, der Liebhaber der Liebe gibt und der Geliebte der diese empfängt. Dieses Gefälle setzt sich fort, die "fortschrittlichen" Männer der damaligen Zeit wandten sich nur deshalb erst den Knaben im Alter des ersten Bartwuchses zu, weil ein Annähern an jüngere Kinder vergebene Liebesmüh sein könne, von ihnen wisse man noch nicht ob sie gute oder schlechte Menschen werden würden.
Wahre Liebe, liebe Angelia, war in diesem Kontext selbstverständlich die Liebe unter Männern, ich denke nicht, dass auch nur einer der damals Anwesenden in seinen Reden an Frauen ..oder gar die eigene Frau dachte..lächel.
Deshalb sehe ich auch keinen femininen Bezug wenn Sokrates Diomita für sich reden lässt. Er hebt sich nur in Arroganz von seinen Vorrednern ab, Eros zu huldigen sei keine Göttererverehrung der Erotk huldigen sei Vergötzung seines eigenen Triebes. Er rechtfertigt seine Liebschaften mit einer so überhöhten Sinngebung, dass es heuchlerisch klingen muss, das Begehren des Guten das Streben nach Tugend ermöglicht durch die Liebe...wie konkret sich das tugendhafte Leben gerade durch die Liebe entwickelt bleibt er uns bei den Auführungen der Diomita schuldig.
Nun ja und die Zeugung von Dauerhaftem als das greifbare Ergebnis von Liebe, Nachruhm oder ein schöpferisches Werk..ich denke ein egozentrischeres Wunschdenken kann ich mir gerad nicht vorstellen.
Vielleicht erklärt ihr mir , was es auf sich hat mit der Liebe, durch Platon erfuhr ich es leider nicht.
Ist es die Rede des Aristophanes, die einen homoerotischen Aspekt beinhaltet und dir nicht schmeckt?
Ich persönlich liebe diesen Teil besonders, der nichts weiter als eine Geschichte bleiben kann, an die man glaubt, sie mag oder eben nicht.
Aber letztendlich bleiben alle Empfindungen und auch Interpretationen rein subjektiv und liegen im Auge des Betrachters.
Wenn man überlegt, dass Homosexualität existiert und die alten Griechen vielleicht ein weit ungezwungeneres Verhältnis zur Sexualität hatten als wir, die wir durch das Christentum in eine Scham unserer selbst gezwungen worden sind, so relativieren sich Deutungsversuche ggf. auf ein anderes Maß.
In unseren Ohren muss das ein oder andere vielleicht heuchlerisch oder arrogant klingen, zumal gerade für Frauen, denn die Philosophie an sich ist männlich geprägt. Ob Goethe oder Schopenhauer, jedem kann man, aus unserem Zeitalter betrachtet, Arroganz und Heuchlerei, selbstverliebte Schöngeistigkeit, Machotum, Frauenfeindlichkeit und Reden fern ab jeder realen Wirklichkeit vorwerfen.
Der Zeitgeist um 400 v. Ch. war ein anderer als heute 2004. Geht es nicht vielmehr um die Idee, die in und hinter den Texten steckt? Die Idee des Guten und Schönen?
Während also Eros als Trieb an sich vergöttlicht wurde, fragt Sokrates nach dem Wesen der Liebe und des Eros. Der Trieb begehrt, er kann nicht göttlich sein, da er als Gott schön, weise, was auch immer im absoluten sei und nicht begehren muss, was er ohnehin hat oder ist. Das erklärt Sokrates, in dem er Diotima reden lässt. Das was begehrt wird das was schon schön, das gut, weise an sich ist, braucht andererseits denjenigen der begehrt, damit es aus sich selbst heraus das Schöne und Gute immer wieder auf´s neue gebären kann.
Wenn du es Mal so nimmst, eine Frau braucht einen Mann der sie begehrt, damit sie schwanger werden kann und aus sich heraus als Lebewesen neues Leben gebiert. Das ist m. E. der feminine Aspekt in der Rede des Sokrates.
Tugend entsteht, wenn aus den archaischen “männlichen” Kräften des Zeugungstriebes zum Zweck der Fortpflanzung so etwas wie Treue und dem sich selbst genügen entsteht. Quasi wenn man es so beschreiben will, ein Paar, dass sich selbst genug ist, als Paar miteinander Erfüllung aus sich heraus findet, den Verlockungen zur Befriedigung der sinnlichen Reize von außen widerstehen kann, da die Beziehung und der Partner nicht mehr dazu dienen eigenen Mangel oder Defizite auszugleichen da diese Beziehung keinen Mangel hat. Sie ist erfüllt. Aus dieser Erfüllung wächst und gedeiht nun wiederum das Gute, mag es in der liebevollen Erziehung der Kinder liegen oder in anderen Dingen, die aber immer den Aspekt Gut und Schön als Triebfeder beinhalten.
Besser kann ich es nicht deuten und auch nicht erklären.
Hi Harmony, Angelika, Naupilos Ich gebe Harmony recht, der Text ist (wie nicht anders zu erwarten) über weite Strecken sexistisch, es wäre eine genaue Analyse wert, inwieweit sich das in der Rede der Diotima auflöst. Ziemlich weit, meine ich. Die offenen Worte zur Homosexualität fand ich recht erfrischend. Immerhin wird es auch den Frauen zugestanden, um ihresgleichen zu buhlen, jedenfalls wird die Möglichkeit nicht unterschlagen. Daneben scheint es so zu sein, dass der Liebende aufgrund seiner göttlichen Begeisterung höher gewertet wird als der Geliebte (Daher ist die Leistung des Geliebten, dem Liebhaber in den Tod zu folgen konsequenterweise höher veranschlagt) Die Liebhaber, also die älteren Herren scheinen sich hier tatsächlich ein wenig selbst zu beweihräuchern. Andererseits finde ich es auch angenehm, hier nicht den üblichen Symmetriezwang zwischen Liebenden vorzufinden. Ich bezweifle, dass es, wie von Harmony behauptet, hier um die Selbstverwirklichung in der Liebe geht. Selbstverwirklichung ist doch wohl eher ein modernes Konzept. Tatsächlich zeigt Sokrates die Verwechslung zwischen dem Eros und dem Begehrten auf, damit sind seine Vorredner doch eigentlich alle widerlegt. Ich finde es daher müssig, die Vorredner allzu ausgiebig zu kritisieren, wenn frau dabei hinter die Kritik des Sokrates zurückfällt…
Zur Zusammenfassung: "Ebenso philosophiert der gänzlich Unverständige*, denn er weiß nichts von seinem Unverstand." *hier fehlt ein "nicht"
Ich hab ja nicht viel Ahnung, Angelika, ist das im "mysteriösen" Teil der Rede der Diotima vorgestellte Ideal die vielbemühte "platonische Liebe"?
Hi Ich werde mich im folgenden eng an die Beiträge von Nauplios und Angelia anschliessen. Dabei verwende ich als Textquelle das von TemporarySilent beschaffte PDF. Bitte seid doch weiterhin so freundlich, mich wenigstens auf meine gröbsten Fehler hinzuweisen, damit ich mich korrigieren kann.
Angelia hat, wie ich meine mit Recht, die Aufgabe, die Rede der Diotima isoliert zusammenzufassen als schädelsprengend bezeichnet. Die vielfältigen Rückbezüge auf die umgebenden Hüllen streben einer Zusammenfassung so stark entgegen, dass man eher verleitet wird, die Geschichte von innen heraus neu zu erzählen.
Barbara Zehnpfennig bringt dieses Kunststück fertig, indem sie bei der Rede des Sokrates, die ja die Rede der Diotima enthält, ansetzt. Aber es bleibt trotzdem ein Gewaltakt, das raffiniert konstruierte Symposion wie eine Socke umzukrempeln. Das extrem verdichtete Ergebnis ist ohne genauere Kenntnis des Symposions nur schwer zu verstehen, jedenfalls geht es mir so.
Hoffentlich entsteht nun nicht der Eindruck, dass Zehnpfennig schlechtgeredet werden soll. Es ist aber kaum einzusehen, warum man nicht zuerst gemeinsam den Weg zur Rede der Diotima gehen sollte, den Plato so kunstvoll für uns angelegt hat. Auf dieser Grundlage wären die von Zehnpfennig oder anderen gebotenen Ausblicke und Querverweise vielleicht besser zu würdigen.
Zu diesem Zweck könnte man unserem guten Nauplios auf die Erzählebene des Aristodemos folgen und sich wenigstens im Überflug ansehen, was die 5 Vorredner des Sokrates zu sagen haben, wie sie sich aufeinander beziehen und ihr Thema entwickeln. Dann kann man sehen, wie sich das in der Rede des Sokrates widerspiegelt.
Die Reihenfolge der Redner: Phaidros, Pausanias, Eryximachos, Aristophanes, Agathon, Sokrates/Diotima, Alkibiades
Nebenbei ist es interessant, wie zum Beispiel Eryximachos Sokrates zuarbeitet, und wie Plato Sorge trägt, Aristophanes nicht unbedingt ins allerbeste Licht zu rücken. Hat dieser doch den Sokrates in seiner Komödie „Die Fösche“ herzlich schlecht gemacht – ca. fünf Jahre bevor Apollodoros seinen Freunden die Erzählung des Aristodemos wiedergibt, oder andersherum: ungefähr elf Jahre nach dem Gelage, falls ich noch rechnen kann ;-). Bereits 7 Jahre VOR dem Gelage hat er in den "Wolken" Sokrates als Obersophist dargestellt, der die herkömmlichen Götter leugnet und im Umgang mit der athenischen Jugend Recht zu Unrecht verdreht. Vorwürfe, die später auch im Prozess gegen Sokrates erhoben wurden. Seht mir diese Abschweifung nach.
Ich bin auch Anfänger was Platon betrifft und muss immer wieder recherchieren und überlegen. Erwartet also nicht so viel.
frage ich mich, was platonische Liebe denn bedeuten soll? Soweit ich weiß, wird die platonische Liebe landläufig als auf rein geistiger Ebene unter Ausschluss des körperlichen interpretiert. Ich kann mir nicht vorstellen, das bei Platon zu Lebzeiten etwas nur rein geistig war. Im Zusammengang mit der Rede der Diotima könnte ich mir vorstellen, dass die platonische Liebe, eben der Eros, Hinwendung, Hingabe zu etwas und Zeugung ist. Was immer dieses etwas ist, der Beruf, der Partner, die Kinder, ein Hobby, die Politik, Wissenschaft, steckt in allem, nach seiner Vorstellung die Idee, das Bedürfnis oder begehren nach und die Liebe zu dem guten, schönen, edlen ( das was begehrenswert ist) im handeln. Ob hier das körperliche ausgeschlossen werden kann, wage ich zu bezweifeln. Immerhin muss das begehren nach etwas zunächst geweckt werden, über die sinnlichen Erfahrungen des Körpers wie es in der Rede heißt. Bis man irgendwann entdeckt, dass jeder Körper oder Objekte mehr oder weniger gleich schön sind “ verschwistert” und man sich dem Wesen oder dem geistigen zuwendet.
Warum sollte Platon über sich selbst, sprich über seine zu Lebzeiten körperliche Gebundenheit, hinaus, gedacht haben? Es wäre dann ja so, als würde er das Absolute im reinen Geist schon sein, oder vielleicht wenn man so will, in der unsichtbaren Ideenwelt, aus der man seiner Vorstellung nach schöpft, bereits existieren. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Platon so weltfremd war. Ein weiterer Aspekt könnte der Wunsch nach Unsterblichkeit sein, den man nur haben kann, solange man es noch nicht ist.
Erst postum kann man von Platon als reinen Geist sprechen, dadurch, dass wir uns an seine Werke und Gedanken ( Erzeugnisse) , Vorstellungen erinnern über sie reden oder nachdenken. Als Teil des Weltgeistes zur Unsterblichkeit gelangt, bestehend aus allen großen Denkern ihrer Zeit, die unsere Kultur oder die westliche Philosophie nachhaltig geprägt haben und von denen der ein oder andere heimlich geküsst wird, in dem einen “ Wahrheiten” in den Sinn kommen.
Übrigens denke ich, dass Aristophanes Rede mehr als den homoerotischen Aspekt beinhaltet. Dieser scheint mir im Angesicht der nicht zu leugnenden Tatsachen homo und heterosexuellen Verhaltensweisen von Lebewesen ( auch unter Tieren gibt es Homosexualität ) philosophisch nicht besonders relevant.
Eher das herumschlagen der Menschheit mit sich selbst als Einzelseele, der Dualität und dem Wunsch nach Ganzheit scheint mir hier der ausschlaggebende Aspekt zu sein.
Liebe Angelina, Dank für die Zuwendung. Was kann man Besseres erwarten als einen Gesprächspartner, der recherchiert und überlegt? Was kann man andererseits von Leuten erwarten, die sich ohne Haltung und Methode auf den geistigen Schätzen ihrer privaten Offenbarungen herumfläzen? Ich will mich bessern und nehme mir ein Beispiel.
Ich fasse es nach Deinen Hinweisen so auf, dass der landläufige Begriff der platonischen Liebe "aus dem übertönenden Schwall der Worte stammt, die über [Plato] gemacht wurden".
Diese Formulierung hab ich nun aus Friedrich v. Falkenhausens Vorwort zu Dantes göttlicher Komödie gestohlen und die Namen ausgetauscht. Wir sind jetzt also ins 13/14. Jhd. n. Chr. geraten. Das Zeug liegt gerade im wüsten Stapel vor mir. Ein paar Auszüge:
Dante steht auf dem Boden der Scholastik, in Thomas von Aquino verehrt er den untrüglichen Meister und Lehrer. In der Hochscholastik bildete der Platonismus auch in den Lehrgebäuden der Aristoteliker eine starke Unterströmung. Das wäre ein Überlieferungsfaden.
Der Leitgedanke der Göttlichen Komödie ist die Heimkehr der verirrten Seele zu Gott. Die Pilgerfahrt durch die 3 jenseitigen Reiche (Hölle, Fegefeuer, Paradies) ist eine Katharsis im christlichen Sinne. Dantes persönliche Vermittlerin der göttlichen Gnade ist Beatrice, die "Herrin der Tugend". Ihr Blick habe ihn bei Lebzeiten über alles Gemeine emporgehoben. Dante liebt zwar im höchten Mass vergeistigt, aber er bereist die jenseitigen Welten körperlich. Er hat Gewicht und wirft einen Schatten, daran erkennen ihn die Seelen der Toten als Lebenden.
Schon bei den provenzalischen Troubadours und bei ihren Nachahmern in Italien finden wir eine Vergeistigung der Frauenliebe, die sie zum Symbol selbst für religiöse Vorstellungen macht.
Dante steigert den allzuoft geistreichelnden Minnesang - bildhaft gesprochen - zu einer im heiligen Ernst ausgeführten Doppelfuge, in der ein Choralthema mit dem eines Liebesliedes verwoben ist. (ISBN 3-458-31794-5)
------------
Ich versteige mich auf dieser Grundlage zu der Vermutung, dass ein zölibatärer Scholastiker den irdischen Eros aus dem Liebesbegriff des Symposion getilgt hat, und dass diese körperlose Liebe in den Minnesang Einzug gehalten hat. Das zurecht als unerreicht geltende Werk Dantes dürfte endgültig dafür gesorgt haben, dieses Konzept in den Köpfen der Gebildeten zu verewigen.
Die Bildungsmühlen des Bürgertums haben es dann zu dem Allgemeinplatz zermahlen, der wahrscheinlich gerade jetzt wieder ausgiebig in Liebe@aol als Pseudothema "Beziehung ohne Sex - geht das?", zum Anlass läppischer Äusserungen dient. Warum auch nicht.
Ach, den Weltgeist hab ich ja jetzt völlig verdrängt - Weltseele? Weltharmonie? Pythagoras via Platon? Kannst Du mir da einen Lesetipp geben?
Ich hoffe das > Dank für die Zuwendung< war nicht ironisch gemeint
Ich schreibe alles online in einer Textverarbeitungsdatei vor und habe vergessen einen Satz >Wenn Tan fragt > ist das im "mysteriösen" Teil der Rede der Diotima vorgestellte Ideal die vielbemühte "platonische Liebe"?< zu kopieren.
Ich ignoriere nur im äußersten Notfall.
Du bringst meine Hinweise zur platonischen Liebe auf folgende These dass der landläufige Begriff der platonischen Liebe "aus dem übertönenden Schwall der Worte stammt, die über [Plato] gemacht wurden". Ja, das war mein Hintergedanke. Ich meine um die platonische Liebe mit Platon in Verbindung bringen zu können, sollte der Begriff doch mit den Inhalten gefüllt sein wie Platon selbst die Liebe verstanden haben könnte. Nun kann ich leider kein griechisch um es selbst herausfinden zu können und bin auf Übersetzungen und den Interpretationen der Autoren angewiesen. Von wem stammt der Begriff platonische Liebe? Wann ist er zum ersten mal aufgetreten? Wer hat dem Begriff beseelt?
Was soll ich mir unter rein geistiger Liebe vorstellen? Was ist mit platonischer Liebe gemeint?
Gut, ich habe schon im realen Leben Schelte für meine Darstellung der platonischen Liebe bekommen und lehne mich nun nicht mehr aus dem Fenster.
Aber mir kommt es nun Mal komisch vor, einen Begriff mit solch sinngewaltiger Tragweite unkritisch als rein geistige Liebe einfach so zu übernehmen. Ich habe mich auch als Kind im Konfirmanden Unterricht gefragt, wie das denn gehen soll, am dritten Tage auferstanden von den Toten ... Und mir kamen es nicht in den Sinn mystischen Geschichten über Jesus wörtlich gelehrt auch wörtlich zu glauben. Warum sollte ich nicht nach dem Sinninhalt der platonischen Liebe fragen und wer diesen Begriff beseelt hat.
Ich habe noch viel mehr Fragen, aber nicht so schnell. Ich bin ja hier um was lernen.
Und zum > Ach, den Weltgeist hab ich ja jetzt völlig verdrängt - Weltseele? Weltharmonie? Pythagoras via Platon? Kannst Du mir da einen Lesetipp geben? < Möchte ich dann später kommen.... Ich kann dir keinen Buchhinweis geben...
Nein, keine Ironie! (Mir reichts davon, "meinst du das jetzt wirklich, oder WIRKLICH?" Zu kompliziert.)
Auch keine Saalschlachten, keine Empfindlichkeiten, keine gekränkte Eitelkeit. Ausserdem keine Herausforderungen zu Schreibduellen. Ich wünsche mir eine Dialoggemeinschaft, in der es um die Sache geht. Daher auch keine Sonderallianzen und kein Gezischel im Hintergrund. Du kannst das als Abmachung nehmen und es mir ggf vorhalten, falls mir was unterläuft.
Du musst nicht unbedingt zitieren, ich schneide alles aus und lese es in der Textverarbeitung (ist auch billiger), bekomme also normalerweise mit, wenn Du eine Antwort einarbeitest. Ist aber eine gute Technik.
Den Weltgeist lege ich zurück, für ein andermal, ich schätze das streift eine Reihe hochinteressanter Auseinandersetzungen, z.B. Philosophie des Geistes. Ich habe dazu Michael Pauen, Grundprobleme der Philosophie des Geistes, Fischer 2001, bin ansonsten leider ziemlich unbeleckt. Schätze, Du könntest einiges zu diesem Begriff bei Hegel beisteuern? Schmeißen wir unsere Sachen doch bei Lust und Laune mal zusammen. Eventuell kommen wir auch bei Phaidon wieder darauf, mir schwant da etwas.
"Wie Platon selbst die Liebe verstanden haben könnte…" Ja, genau. Eigentlich müsste ich eine Rezeptionsgeschichte suchen, andererseits dürfte das gerade bei Platon sehr schnell uferlos werden. Momentan geniesse ich noch meine Naivität. Ich lese es ja gerade tatsächlich zum ersten Mal. Mit Sekundärliteratur werde ich mich dann später eindecken, vielleicht können wir später eine Bücherliste zusammenstellen?