Die Beziehung des Menschen zu den Göttern - vor allem zu einem Gott - wird für uns Modernen durch den Begriff des Glaubens getragen. Auch hier liegt eine Unterscheidung vor (vgl. zum Thema "Unterscheidung" die Diskussion hier: http://215493.homepagemodules.de/t503726...radition_4.html), nämlich zwischen Glauben und Unglauben. Wo es ein credo gibt, gibt es auch einen falschen, ketzerischen Glauben. Glaube in diesem Sinne ist immer gebunden an ein Dogma. Man darf mit Recht daran zweifeln, daß die Griechen der homerischen Zeit überhaupt so etwas dogmengebundenen Glauben hatten. Bei Homer sind die Götter so natürlich so natürlich, so selbstverständlich, daß noch Herodot, als er Ägypten besuchte und dort in Kontakt mit einheimischen Götterkulten kam, diese Götter gleichsam ins Griechische "übersetzte". So wurde aus Bupastis eben Artemis, aus Horos Apoll und aus Osiris kurzerhand Dionysos. Den Göttern der "Barbaren" (Nicht-Griechen), die sich nicht ins Griechische übersetzen lassen, wird lapidar bescheinigt, daß sie eben besonders "barbarisch" seien ... - Die Griechen selbst haben ja ihre Götter in verschiedenen Gestalten und unter verschiedenen Namen verehrt. Die Artemis von Ephesos beispielsweise sieht anders aus als die Jägerin von Sparta:
Die Götter der Griechen gehören zur natürlichen Ordnung der Welt; wie soll es überhaupt andere Götter geben als die, von denen man auf solch natürliche Art "weiß"? - Und was bedeutete eigentlich die Anklage der "Gottlosigkeit" (asebeia) gegen Sokrates? In der Anklageschrift gegen Sokrates heißt es, Sokrates ist ein Verbecher, weil er nicht an die Götter glaubt, sondern andere Dämonen einführen will. Das Wort "glauben" ist die Übersetzung von "nomizein" (für die Altphilologen unseres Griechischkurs´: Das Wort kommt in Lektion 5 vor ); aber eigentlich steckt in diesem "nomizein" das Für-Wahr-Halten, eben die Existenz der Götter für wahr halten. Sokrates spricht ja von seinem "daimonion", seiner "inneren Stimme" und das wird ihm in dieser Anklage vorgeworfen. Er wird also nicht als Ketzer oder Häretiker bezeichnet, sondern als Gottesleugner. Erst um die Mitte des 5. Jahrhunderts wird der Gedanke langsam salonfähig, die Götter könnten vielleicht nicht existieren (bei dem Sophisten Protagoras). Das griechische "nomizein" hat den erweiterten Sinn von: wert halten, achten; "nomisma" bezeichnet das, was Wert hat. (Unser Wort "Numismatik" ist davon abgeleitet.) - Folgt man Winckelmann und Goethe, könnte man meinen, die olympischen Götter seien bloße Ausgeburten eines heiter spielenden Geistes; aber nach der griechischen Vorstellung (etwa bei Homer) sind die Götter selbst der Ordnung des Kosmos unterworfen. Deshalb gibt es auch nicht so etwas wie eine Schöpfungsgeschichte. Bei Homer greifen die Götter zwar oft in das irdische Treiben ein, aber sie tun dies fast schon nach den Gesetzen einer "höheren" Ordnung. Das höhere Leben der Götter gibt dem irdischen Dasein seinen Sinn. Das Innere des Menschen ist das sozusagen das Göttliche in den Menschen hineingenommen. In einem Gespräch mit Riemer drückt Goethe das in umgekehrter Richtung so aus: "Was der Mensch als Gott verehrt, ist sein eigenstes Innere herausgekehrt".
Der homerische Mensch steht frei vor seinem Gott. Er duckt und fügt sich zwar gelegentlich - aber nicht immer. Manchmal steht er auch mutig den Ressentiments eines Gottes gegenüber (etwa Odysseus gegen Poseidon). Ganz anders als die hebräische Gottheit sind die griechischen Gottheiten "rheia zoontes", Leichtlebende, weil ihnen das Dunkle und Unvollkommene ihnen fehlt - sie sind nicht für den Tod zuständig.
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"Seht ihr den Mond dort stehen? - / Er ist nur halb zu sehen / Und ist doch rund und schön!" (Matthias Claudius) [ein letztlich von Wittgenstein verworfener Mottovorschlag für seine "Philosophischen Untersuchungen". _____________________________________________
In Antwort auf: Bei Homer sind die Götter so natürlich so natürlich, so selbstverständlich, daß noch Herodot, als er Ägypten besuchte und dort in Kontakt mit einheimischen Götterkulten kam, diese Götter gleichsam ins Griechische "übersetzte". So wurde aus Bupastis eben Artemis, aus Horos Apoll und aus Osiris kurzerhand Dionysos. Den Göttern der "Barbaren" (Nicht-Griechen), die sich nicht ins Griechische übersetzen lassen, wird lapidar bescheinigt, daß sie eben besonders "barbarisch" seien .
Das Barbarische der Nicht- Griechen zeigt sich insbesondere in der Tragödie "Die Perser" von Aischylos. Dem Drama liegen zwei Motivationsstränge zugrunde. Im ersteren greift ein böser Dämon ein, stellt den Menschen Fallen und bestraft sie. Der zweite Strang läßt sich gänzlich vom Menschen ableiten. In Xerxes Verhalten liegt der Ursprung der Niederlage. Böse Ratgeber stacheln seinen Ergeiz an, und verlocken ihn dazu, es seinem Vater Dareios gleichzutun und das Reich zu erweitern, obwohl ihm die Fähigkeiten für solche Unternehmungen fehlen. Xerxes ist ungestüm, sein Vater Dareios rät ihm von einem Feldzug gegen Griechenland ab. Hier zeigen sich schon die ersten Ansätze frevelhaften Verhaltens, nicht mit den eigenen Fähigkeiten maßhalten zu können. Welche Eigenschaften Xerxes vermissen läßt, zeigt Aischylos am Gegenbild von Dareios - Klugheit, kühner Mut und Maßhalten. Aber die Strafe trifft nicht nur Xerxes sondern auch das persische Heer, das ebenfalls der Hybris verfallen ist. Peter Rudolf Schulz spricht von einer dreistufigen Entwicklung (P.R.Schulz:" Göttliches und Menschliches Handeln bei Aischylos").Er beginnt bei dem "inneren Frevelmut" (status), der bei Xerxes und den Männern von Platäa vorherrscht. Dem schließt sich die frevelhafte Handlung an (actus). Dieser "actus" zieht wiederum die Strafe der Götter nach sich. So erfüllt sich das Geschehen in einer logischen Kausalkette. Vielleicht ist es geboten, an dieser Stelle zu differenzieren: So trifft es für Aischylos nicht zu, dass "Hybris" immer die frevelhafte Gesinnung bezeichnet, und "Ate" die aus ihr resultierende Tat. "Hybris" kann "Frevelsinn" und "Freveltat" bedeuten (vgl.Schulz.S.8-9) Als "Ate" kann ,die "Verblendung", die "aus der Verblendung resultierende Tat" und die daran anknüpfende Katastrophe bezeichnet werden. Beide Bezeichnungen gelten sowohl für den "status" als auch für den "actus". Das einzige, was feststeht ist, dass aus einer frevelhaften Gesinnung auch Freveltaten entstehen sollten . So straft Zeus auch nie die menschliche Gesinnung (den status), sondern die sich entwickelnden Freveltaten. Er läßt sich also dementsprechend Zeit, damit die Frucht der Hybris des Menschen reifen kann, bevor er seine Strafe über ihn verhängt.
Liebe Grüße,
Temp=) ¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ A brave man once requested me to answer questions that are key is it to be or not to be and I replied:"so why ask me?" _______________________________________
Es folgt nachstehend der berühmte Zeus-Hymnos aus Aischylos´ Agamemnon . Dem griechischen Original folgen zwei Übersetzungen, zunächst die von Johann Gustav Droysen, der 1832 alle Tragödien von Aischylos übersetzt hat und danach eine "moderne" Übertragung, nämlich die von Emil Staiger (1958).
Zeus, wer Zeus auch immer möge sein, ist er dieses Namens froh, Will ich gern ihn nennen so; Ihm vergleichen kann ich nichts, wenn ich alles auch erwäg, Außer ihm selbst - wenn des Denkens vergebliche Qualen Ich in Wahrheit bannen will!
So, wer ehedem gewaltig war, allbewehrten Trotzes hehr, Was er war, nicht gilt es mehr; Der darauf erstand, dem Allsieger unterlag auch der. Aber den Zeus im Gesange des Sieges zu preisen, Alles Denkens Frieden ist´s!
Ihn, der uns zum ernsten Nachsinnen leitet, uns in Leid Lernen läßt zu seiner Zeit; Drum weint auch im Traum im Herzen noch Kummer leideingedenk, und es keimt Wider Willen weiser Sinn. Wohl heißt streng und schonungslos der ewgen hochgethronten Götter Gunst! (Übersetzung: J.G. Droysen)
Zeus, wer er auch sei, wenn so Zu heißen ihm lieb, Ruf ich ihn so. Wäge ich alles, So finde ich nichts, Zeus vergleichbar, soll ich recht Von der Seele werfen vergebliche Last.
Schwoll einst ein Gewaltiger auch Von trotziger Kraft - Wer sagt, daß er war? Dem Sieger erliegt Auch, der ihm folgt. Die Fülle der Einsicht aber gewinnt, Der feiert mit Ernst den Triumph Zeus´.
Weise zu sein wies er den Weg Den Sterblichen, und er setzte dies: Daß aus Leid wir lernen. Träufelt im Herzen zur Stunde des Schlafs Kummer, des Argen eingedenk, Lernt Weisheit auch verstocktes Gemüt. Huld der Geister ist´s , die fest Am heiligen Steuer sitzen. (Übersetzung: E. Staiger)
Schade, daß Durs Grünbein von Aischylos bislang nur Die Perser und Sieben gegen Theben übersetzt hat ... Von Peter Stein liegt mir keine Übersetzung vor ... Den griechischen Text habe ich übrigens auch in unserem Audioblog eingesprochen ... :-)
"Seht ihr den Mond dort stehen? - / Er ist nur halb zu sehen / Und ist doch rund und schön!" (Matthias Claudius) [ein letztlich von Wittgenstein verworfener Mottovorschlag für seine "Philosophischen Untersuchungen".