In einer anderen - sprachtheologischen - Tradition kann man mit Walter Benjamin sagen, daß ein "ununterbrochener Strom" von "Mitteilung durch die ganze Natur fließt". Es gibt eine Bewegung des stummen Ausdrucks der Dinge hin zu der Sprache des Menschen, welche jene Stummheit dolmetscht. Dies ist eine grandiose, metaphysische Hoffnung der Naturästhetik. Sie läßt Benjamin jedoch nicht die generelle "Traurigkeit der Natur" vergessen, die in ihrer "Sprachlosigkeit" begründet ist; ebenso wie umgekehrt die Trauer der natura lapsa - sagen wir: die Trauer der geschundenen Natur - diese erst stumm macht. Daß aber in der Natur ein Strom sprachlosenSprechens präsent ist, der auf ein Vernehmen hin angelegt ist, das ist nur eine andere Wendung für die fundamentale Tatsache, daß die Dinge sich selbst auf ein Wahrgenommenwerden hin präsentieren und daß nur einem stumpfen Sinn die Dinge als in sich stumpf geschlossene Entitäten erscheinen. Freilich nennt Benjamin mit der "Überbenennung"der Dinge durch Menschensprache ein Problem und eine Gefahr: daß nämlich gerade die sprachliche Übersetzung der stummen Dinge zum "tiefsten Grund aller Traurigkeit und (vom Ding aus betrachtet) allen Verstummens" werden kann. (Walter Benjamnin: Über Sprache überhaupt und die Sprache des Menschen. In.: ders.: Ges. Schriften, h.g. v. R.Tiedemann, Frankfurt/M. 1977, Bd.II/1, S.157.) Es kennzeichnet die metaphysische Sprachauffassung Benjamins,daß er dieses Sich-Mitteilen der Natur nicht 'durch', sondern 'in' Sprache geschehen läßt. "Der Mensch ist der Erkennende in derselben Sprache, in der Gott Schöpfer ist." (ebd. S.149) Das begründet die paradigmatische Achse Gott - Natur - Mensch mit der Möglichkeit der (adamitischen) Namensprache sowie die syntagmatische Achse, die durch den Sündenfall und die babylonische Sprachzersplitterung bestimmt wird: mit der Folge der Trennung von Wort(zeichen) und Bedeutung: die 'Verurteilung' zur Arbitrarität der Sprache, die in der Poesie wieder aufgehoben werden kann: das nicht-konventionelle Zeichen der poetischen Sprache bedeutet demnach die Rückkehr ins Sprach- Paradies.
Die Sprache, in der das Mitteilen der Dinge aufgehoben sein könnte, wäre die der Kunst - diese zu dolmetschen wäre die Aufgabe der Literaturwissenschaft. Das stellt die Theoriesprache, in der eine Ästhetik der Natur entwickelt werden soll, vor das Problem der Angemessenheit der Sprache an die Phänomene, von denen sie spricht.
Sie läßt Benjamin jedoch nicht die generelle "Traurigkeit der Natur" vergessen, die in ihrer "Sprachlosigkeit" begründet ist; ebenso wie umgekehrt die Trauer der natura lapsa - sagen wir: die Trauer der geschundenen Natur - diese erst stumm macht. Daß aber in der Natur ein Strom sprachlosen Sprechens präsent ist, der auf ein Vernehmen hin angelegt ist, das ist nur eine andere Wendung für die fundamentale Tatsache, daß die Dinge sich selbst auf ein Wahrgenommenwerden hin präsentieren und daß nur einem stumpfen Sinn die Dinge als in sich stumpf geschlossene Entitäten erscheinen.
Lieber Metaphysiker,
Während also auf der einen Seite die realen Prozesse der Naturzerstörung fortschreiten, wird auf der anderen Seite im Zeichen des Übergangs zur High-Tech-Gesellschaft der Ausstieg aus der Natur vorbereitet. Hierbei mutet zunächst eine ästhetische Theorie der Natur als anachronistische Romantik an. Vielleicht ist es jedoch so: es gehört zur historischen Lage, theoretische Klärungen vorzubereiten auch unter den Bedingungen der Unwahrscheinlichkeit ihrer Einlösung. Die Geschichte, die wir kennen, löst sich vielleicht auf. In klassischen Kategorien gesprochen bedeutet dies den Eintritt ins Erhabene. Der darin wirksame Schrecken, das Chaos, das überwältigend Dissonante, die Präsenz des Todes, die Überfälle der Angst und des Schocks, die Konfrontation mit dem Unvorhergesehenen, das Häßliche und die Gewalt - dies sind die wesentlichen Erfahrungsmomente der Kunst der Moderne, die ihren paradoxen Status darin gewann, angesichts solcher Erfahrungen den Formprozeß nicht etwa abbrechen, sondern vielmehr zum genauen Ausdruck derselben werden zu lassen. Aus diesen Gründen ist die Ästhetik des Erhabenen das Zentrum der Kunst der Moderne. Denn nach Kant besteht das Erhabene darin, angesichts eines Unvorstellbaren oder Übermachtigen - einer Größe oder Kraft also, die uns überfordert, gleichwohl eine Form der Selbstbehauptung zu entwickeln. Vielleicht charakterisiert die Struktur des Erhabenen aber nicht nur weite Teile der Kunst, sondern unterdessen auch die Theorie. Im Blick auf die Naturästhetik kann dies auch heißen, daß ihr Projekt entlastet wird davon, praktischen Sinn machen zu müssen. Theoretische Anstrengung kann auch heißen, daß ein Unternehmen wie die ästhetische Theorie der Natur nicht der Vorentwurf einer zukünftigen Geschichte der Natur ist, sondern das Testament oder das Stilleben. Immer schon war ein großer Teil der historischen Arbeit Projekten gewidmet, die zum ungleichzeitig Möglichen des Geschichtsprozesses gehörten. So ist denkbar, daß aus den Ressourcen unserer Geschichte heraus das Projekt einer Naturästhetik heute an einer Stelle formuliert wird, an der seine Einlösungsbedingungen bereits vernichtet sind. Wenn dies ein Grund wäre, etwas nicht zu tun, dann hätte es - um einige Beispiele zu nennen - auch nicht Thomas Müntzer, Giordano Bruno, Novalis oder Hölderlin geben müssen.
Liebe Grüße,
Temp=) ¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ A brave man once requested me to answer questions that are key is it to be or not to be and I replied:"so why ask me?" _______________________________________